Afrikanische Lehrgärten
Ob Menschen sich gesund ernähren, hängt unter anderem von ihrem Wissensstand ab. In Malawi unterweisen Slow-Food-Aktivsiten Menschen im Anbau gesunder, traditioneller Lebensmittel. Das ist auch ökonomisch sinnvoll, wie Rabson Kondowe in E+Z/D+C erläuterte:
„Wir sollten wissen, wer unsere Nahrungsmittel erzeugt und wie das geschieht“, sagt Manvester Akson Khoza, der nationale Koordinator von Slow Food in Malawi. Der ausgebildete Buchhalter arbeitet seit 2012 für diese internationale zivilgesellschaftliche Organisation. Seinerzeit war es seine erste Aufgabe, zwölf Schulgärten zu starten. Heute koordiniert er 450 Schul- und Gemeinschaftsgärten im ganzen Land.
Wie in vielen Entwicklungsländern verdrängt der Einsatz hybrider Hochertragssorten in Malawi traditionelle Pflanzen (siehe Lucien Silga im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Eaper 2019/11). Khozas Erfahrung nach werden Letztere vielfach nicht nur ignoriert, sondern geradezu verachtet. Andererseits ist für Hochertragssorten massiver Chemieeinsatz nötig.
In Slow-Food-Gärten werden weder Pestizide noch Kunstdünger genutzt. Das ist gut für Mensch und Umwelt. Der Einsatz giftiger Chemikalien schafft Gesundheitsrisiken.
Die Gärten dienen einem Bildungszweck. „Wir wollen, dass lokale Gemeinschaften sich mit diesen Pflanzen auskennen“, sagt der Koordinator. Ihr Anbau sei aber auch ökonomisch wettbewerbsfähig. Die Pflanzen sind genetisch an ihren Standort angepasst, und ihre Diversität liefert mehr – und vielfältigere – Nährstoffe, als das Monokultur-Produkte tun.
2010 startete Slow Food ein Programm, um 1000 Gärten in Afrika zu schaffen. Angesprochen werden Schulen und Graswurzelorganisationen in Dörfern sowie Stadtrandsiedlungen in bislang 26 Ländern. Es geht darum, sicherzustellen, dass die Menschen kontinuierlich frische und gesunde Nahrung bekommen.
Inzwischen gibt es laut Slow Food mehr als 3000 solcher Gärten. Insbesondere junge Menschen will Slow Food erreichen. Gute Ernährung fördere gesundes Heranwachsen, sagt Khoza. Nach Möglichkeit sollen sie zu Hause replizieren, was sie in der Schule lernen.
Das passiert auch. Agness Chipamba ist in einem Schulgarten in Zentralmalawi aktiv. Ihr zufolge bauen mittlerweile die Familien vieler Schüler und Schülerinnen zu Hause Gemüse und Obst an und hätten folglich das ganze Jahr über frische Produkte. Früher sei das nur in der Regenzeit der Fall gewesen, wenn es auf dem Markt anderswo erzeugte Produkte gab. „Jetzt versorgen wir uns selbst“, stellt sie fest. Einige Familien verkauften auch Erzeugnisse.
Unterernährung ist ein ernstes Problem in Malawi. 37 Prozent der Kinder sind laut UNStatistiken deshalb im Wachstum zurückgeblieben, wobei sich die Lage langsam gebessert hat. Wie Felix Pensulo vom Gesundheitsministerium berichtet, betrug der Vergleichswert 2004 noch 53 Prozent. Andererseits macht ihm Sorgen, dass der Anteil der Menschen mit Übergewicht zunimmt. Er betrage jetzt 21 Prozent. 1992 seien es nur neun Prozent gewesen.
Es gibt ein Stadt-Land-Gefälle, denn Fettleibigkeit ist in der urbanen Bevölkerung stärker verbreitet, wie Pensulo sagt. Städtern gelte traditionelle Ernährung oft als typisch für die arme Landbevölkerung, während Konserven, ausländisches Gemüse und Fertiggerichte als Statussymbole gesehen würden.
Das Gesundheitsministerium arbeitet an Lehrplänen über ausgeglichene Ernährung. Sie sollen in Grund- und weiterführenden Schulen genutzt werden. Auch Studierende sollen angesprochen werden. Aus Pensulos Sicht kommt es besonders auf die Mädchen an. Studien zeigen, dass junge Frauen mit Schulabschluss kaum mangelernährte Kinder hätten. „Sie wissen, was die Kinder brauchen“, erklärt Pensulo.
Auch in diesem Kontext sind die Slow-Food-Gärten nützlich. Khoza bezeichnet es als unerwartetes Ergebnis der Projektarbeit, dass manche jungen Leute wieder zum Unterricht zurückkehrten, nachdem sie die Schule schon abgebrochen hatten. Ausschlaggebend sei das Interesse am Anbau eigener Lebensmittel gewesen.