Globale Lösungen erforderlich
Gerd Müller ist Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. In E+Z/D+C nahm er zur Covid-19-Pademie Stellung:
Das Ausmaß der derzeitigen Krise ist dramatisch – nicht nur in Deutschland und Europa. Entwicklungs- und Schwellenländer trifft es am härtesten. Erneut erleben wir, dass weltweite Probleme weltweite Lösungen erfordern. Es liegt in unserem eigenen Interesse, das Virus weltweit zu bekämpfen. Zum einen weil es unsere humanitäre Pflicht ist zu helfen, zum anderen weil das Virus sonst zu uns zurückkommt. Unser Blick muss daher über Deutschland und Europa hinausgehen. Es gibt viel zu tun:
- 4,2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu angemessener Sanitärversorgung. Deswegen ist die Ansteckungsgefahr in vielen Entwicklungsländern dreimal höher als bei uns.
- Entwicklungsländer verfügen nur über eine geringe Zahl an Laboren, Notfallbetten und Beatmungsgeräten.
- Besonders prekär ist die Lage in Ballungsgebieten, Slums und den überfüllten Flüchtlingslagern.
Zusätzlich zu den gesundheitlichen Auswirkungen sind die Entwicklungsländer wirtschaftlich betroffen von Ausgangssperren, die von den Regierungen verhängt wurden, durch den plötzlichen Stillstand der Weltwirtschaft und den Zusammenbruch von Lieferketten, von denen viele in Afrika, Asien oder Lateinamerika ihren Startpunkt haben. Länder ohne oder mit nur unzureichenden sozialen Sicherungssystemen, insbesondere in Afrika, spüren jetzt gravierende Folgen.
- Durch den Zusammenbruch globaler Lieferketten stehen Millionen Menschen vor dem Nichts.
- Die Staatseinnahmen sinken dramatisch um 20 bis 30 Prozent.
- Kapital in Höhe von fast 100 Milliarden Dollar wurde bereits aus den Entwicklungs- und Schwellenländern abgezogen.
- 20 Millionen Arbeitsplätze gehen allein im Tourismusbereich verloren. In Bangladesch mussten zeitweise 4000 Textilfabriken schließen, in denen sonst 4 Millionen Menschen arbeiten.
Wir müssen die Pandemie und ihre sozialen und wirtschaftlichen Folgen weltweit wirksam bekämpfen. Dazu müssen die Testkapazitäten und die Verfügbarkeit von Beatmungsgeräten und Schutzausrüstung verbessert und nationale Gesundheitssysteme gestärkt werden. Darüber hinaus dürfen wir aber auch nicht unseren Kampf gegen andere Krankheiten wie AIDS, Malaria und Tuberkulose aus den Augen verlieren.
Und wir müssen unsere Partner unterstützen, indem wir die wirtschaftlichen Folgen abmildern. Während westliche Länder milliardenschwere Hilfspakete für ihre Wirtschaft aufgesetzt haben, werden Entwicklungsländer von ihrer Schuldenlast erdrückt. Unsere Anstrengungen zur Erzielung der Nachhaltigkeitsziele (SDGs), insbesondere SDG 1 und 2, sind gefährdet.
Und, um es mit den Worten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zu sagen: „Wir können nicht einfach zu dem Zustand vor Covid-19 zurückkehren, in dem unsere Gesellschaften unnötig krisenanfällig waren. Wir müssen gestärkt daraus hervorgehen.“ Wir müssen Globalisierung neu gestalten und sicherstellen, dass diese Gesundheitskrise nicht unsere Anstrengungen zur Erreichung der 2030 Agenda und Bekämpfung des Klimawandels beeinträchtigt.
Aus diesem Grund sind wir vorangegangen: Durch Umstrukturierungen im BMZ-Haushalt finanzieren wir 2020 ein „Corona-Sofortprogramm“ für eine Milliarde Euro. Wir verstärken unser Engagement in sieben Bereichen:
- Gesundheit und Pandemiebekämpfung
- Ernährungssicherung, Grundversorgung zur Verhinderung von Hungerkatastrophen
- Stabilisierung von Flüchtlings- und Krisenregionen
- Soziale Sicherung, Sicherung von Arbeitsplätzen in globalen Lieferketten
- Absicherung von Unternehmen in Schüsselsektoren wie Textil und Tourismus
- Liquidität von Staaten sichern
- Internationale Zusammenarbeit
Covid-19 ist auch ein globaler Weckruf zur internationalen Zusammenarbeit und Solidarität. Wir müssen unsere Kräfte bündeln und eine gemeinsame Antwort unter der Führung der Vereinten Nationen geben.
Die Covid-Krise ist auch ein Härtetest für den Multilateralismus. Das Schuldenmoratorium der G20 und des Pariser Clubs (einschließlich China) für die ärmsten Länder ist ein ermutigendes Signal. Dennoch dürfen wir uns – angesichts der weltweiten Herausforderung – damit nicht zufrieden geben. Diesen Kampf gewinnen wir entweder gemeinsam weltweit oder gar nicht.