„Ich weiß, wie gefragt wir auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind“
Drei junge Menschen aus Indien erzählen, wie sie den Schritt nach Deutschland geschafft haben – und was ihnen am Leben und Arbeiten dort besonders gefällt.
Deutschland braucht in vielen Bereichen internationale Fachkräfte. Drei junge Menschen aus Indien berichten, wie sie den Alltag und die Arbeitswelt in Deutschland erleben.
Ajay Maurya, 34, IT-Berater in Kronberg bei Frankfurt
„Meinen ersten Tag in Deutschland werde ich wohl nie vergessen: Es war Anfang Dezember 2021, ich hatte eine lange Reise hinter mir und kam erschöpft am Frankfurter Flughafen an. Ich weiß noch genau, dass die Luft anders roch als in meiner Heimat und dass ich furchtbar gefroren habe. Ich komme aus der Nähe von Delhi, dort sind es meist 30 Grad – daher waren die eisigen Temperaturen in Deutschland ein Schock! Zum Glück hatte ich meinen Mentor Chinmay. Er holte mich vom Flughafen ab und zeigte mir, wo ich warme Kleidung kaufen konnte: Handschuhe, Daunenmantel, Mützen. Chinmay war es auch, der mich überhaupt auf die Idee gebracht hatte, nach Deutschland zu gehen. Er leitet eine Agentur, die indische Fachkräfte vor allem aus dem IT-Bereich nach Deutschland vermittelt. Ich hatte in Delhi schon in der Softwarebranche gearbeitet. Die Zusage einer deutschen IT-Firma kam schnell. Sie hat mich im Visumsprozess unterstützt und mir eine Wohnung besorgt – das war spitze.
Das Eingewöhnen fiel mir leicht: Einerseits erhielt ich Hilfe von Chinmay, andererseits leben in Deutschland wirklich viele Inder. Die meisten sind im IT-Bereich tätig. Dass wir bei deutschen Arbeitgebern so beliebt sind, liegt meiner Meinung nach daran, dass wir über hohe fachliche Expertise verfügen und sehr anpassungsfähig sind. Ich fühle mich in Deutschland sehr wohl. Am meisten mag ich die Ordnung. In Deutschland wird alles sehr genau geplant, wodurch die Arbeitsprozesse strukturiert und produktiv ablaufen. Auch deshalb möchte ich gern dauerhaft für eine deutsche Firma arbeiten, allerdings lieber remote aus dem Ausland, denn meine Frau und meine Tochter leben in Indien und ich möchte künftig gern mehr Zeit dort verbringen. Bald mache ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Job – ich glaube, dass das nicht allzu schwierig wird. Ich weiß, wie gefragt wir auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind.“
Arpitha Maradesha, 31, Softwareentwicklerin in Hamburg
„Hätte mir vor zehn Jahren jemand gesagt, dass ich einmal in Deutschland leben und arbeiten würde, hätte ich wohl schallend gelacht. Es war nie mein Ziel, Indien zu verlassen: Ich hatte meine Familie um mich und einen guten Job in der IT-Branche. Dann kam mir die Liebe dazwischen. Mit Mitte 20 lernte ich in Indien meinen heutigen Ehemann kennen und als dieser 2019 für seinen Job nach Hamburg zog, bin ich ihm gefolgt. Heute bin ich über diese Entscheidung sehr glücklich. Das liegt auch daran, dass ich es als Informatikerin sehr einfach hatte, in Deutschland einen Job zu finden. Ich habe online nach Stellen gesucht und nur ein paar Bewerbungen verschickt. Eine mittelständische IT-Beratung hat sich noch am selben Tag zurückgemeldet. Inzwischen bin ich in dieser Firma seit fünf Jahren als Softwareentwicklerin tätig.
Am besten gefällt mir die Jobsicherheit in Deutschland, gerade für junge Mütter. Als ich schwanger wurde, hatte ich die Möglichkeit, bis zu zwei Jahre bezahlten Mutterschaftsurlaub zu nehmen – in Indien geht das für höchstens sechs Monate. Außerdem hat mein Chef mir zugesichert, jederzeit wieder auf meine alte Stelle zurückkehren zu können. Meine Tochter ist nun fast ein Jahr alt, sie ist in Deutschland geboren und wächst mit zwei Kulturen und Sprachen auf. In unserem Freundeskreis gibt es viele Deutsche und viele Inderinnen und Inder, die wie mein Mann und ich eingewandert sind. Natürlich vermisse ich meine Familie trotzdem jeden Tag, meine Eltern haben ihre Enkelin noch gar nicht persönlich kennengelernt. Gegen das Heimweh hilft es mir, im indischen Supermarkt einzukaufen und Gerichte aus meiner Heimat zu kochen. Auch wenn mir gutes Curry und meine Familie immer fehlen werden, kann ich heute ganz klar sagen: Deutschland ist mein zweites Zuhause!“
Manideep Allu, 25, Student der Ingenieurwissenschaften an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg
„Dass ich meinen Master in Deutschland machen will, wusste ich schon lange. Ich komme aus Andhra Pradesh in Südindien, wo ich im Bachelor Ingenieurwesen studiert habe. Deutschland hat in meiner Heimat einen guten Ruf, gerade unter Ingenieuren: Die Unis sind fachlich angesehen und noch dazu günstig. Für ein Masterstudium in den USA hätte ich mehr als 10.000 US-Dollar zahlen müssen, in Deutschland sind es nur wenige hundert Euro im Semester. Deshalb habe ich mich gezielt an deutschen Unis beworben. Ich bekam gleich für mehrere Masterprogramme eine Zusage, entschieden habe ich mich dann für Chemie- und Energietechnik in Magdeburg. Seit 2021 lebe ich in Deutschland, gerade mache ich ein Praktikum bei einem großen Automobilzulieferer. Das macht echt Spaß.
Ich habe den Eindruck, dass sich Deutschland Mühe gibt, für Studierende aus Indien attraktiv zu sein. Viele Masterprogramme sind komplett auf Englisch, auch meines gehört dazu. 80 Prozent der Kommilitoninnen und Kommilitonen in meinem Studiengang kommen aus Indien. Einerseits ist das super, denn so hatte ich direkt Anschluss zu Menschen, die in der gleichen Situation sind wie ich. Anderseits fiel es mir dadurch zunächst schwer, richtig in Deutschland anzukommen. Das geht natürlich nur, wenn man die Sprache lernt. Ich mag Deutsch, vor allem lange Wörter wie ,Rindfleischetikettierungsgesetz‘. Inzwischen bin ich auch mit Deutschen befreundet. Wenn man sie erstmal kennenlernt, tauen sie richtig auf. Außerdem mag ich deutsches Bier. Am Wochenende trinke ich gern mal eines – in der Hinsicht bin ich wohl schon ziemlich deutsch.
Ich möchte nach meinem Abschluss gerne in Deutschland bleiben. Das liegt vor allem an der guten Work-Life-Balance. Mir ist es wichtig, Zeit für meine Hobbys wie etwa die Fotografie oder das Reisen zu haben. In Deutschland kein Problem: Hier werden die Arbeitszeiten strenger eingehalten als in Indien. Mein Plan ist, in Deutschland Fuß zu fassen und als Ingenieur zu arbeiten. Jetzt steht aber erstmal die Masterarbeit an – ich muss nur noch ein Thema finden.“
„Make it in Germany”
Das zentrale und offizielle Portal für internationale Fachkräfte, die in Deutschland arbeiten möchten, ist „Make it in Germany“. Es unterstützt Interessierte bei ihrem Weg nach Deutschland – von den Vorbereitungen im Herkunftsland bis zur Ankunft und den ersten Schritten in Deutschland.