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Unternehmenskultur 
im Wandel

Eine neue Studie belegt die Bedeutung von sogenannten „Migrantenunternehmen“ als Jobmotoren in Deutschland.

Canan Topçu, 07.10.2016

Schon als Schüler hat Eyüp Aramaz aus Bielefeld für sein Taschengeld gejobbt. Mal arbeitete der Sohn türkischer Migranten in der „Tanke“, mal in der Pizzeria, dann auch als Reinigungskraft. Heute ist er ein Unternehmer. Und eigentlich auch Polizeibeamter, aber diesen Beruf lässt er derzeit im Rahmen eines Sabbaticals ruhen, weil er sich auf seine Werbeagentur konzentrieren möchte, mit der er das Online-Marketing mittelständischer Unternehmen betreut. Gegründet hat er seine Firma, die heute „Webkarma“ heißt, bereits 2014.

 

Sein erstes Unternehmen gründete Aramaz noch während seines Studiums an der Hochschule der Polizei. Mit nur 500 Euro Kapital startete er mit einer Reinigungsfirma, der er den Namen „Regio Clean“ gab. Die Idee sei ihm „wie aus heiterem Himmel“ beim Teetrinken gekommen, erzählt der junge Mann mit Elan. Die Website von Regio Clean hatte Aramaz, der ein Faible fürs Technische und das Internet hat, offensichtlich so attraktiv gestaltet, dass andere aus der Branche darauf aufmerksam wurden: Er erhielt von mehreren Unternehmern Anfragen, für deren Firmen das Online-Marketing zu betreiben. Mit Webkarma hat sich der 27-Jährige auf die Social-Media-Werbung für Mittelstandsunternehmen spezialisiert.

Eyüp Aramaz ist einer von 709 000 Unternehmern mit Migrationshintergrund in Deutschland. Ihre Zahl ist, wie aus einer jüngst veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung hervorgeht, innerhalb von zehn Jahren um rund 150 000 gestiegen. Längst sind Unternehmer ausländischer Herkunft nicht mehr vor allem in der Gastronomie oder im Handel tätig. Seit 2005 ist die Zahl derer, die ihr Geld in diesen Branchen verdienen, um zehn Prozentpunkte auf 28 Prozent gesunken. Rund 50 Prozent der Selbstständigen mit Migrationshintergrund sind mittlerweile in ganz anderen Branchen aktiv, etwa in öffentlichen und privaten Dienstleistungen (26 Prozent), im produzierenden Gewerbe (20 Prozent) und im Grundstücks- und Wohnungswesen (16 Prozent). Laut Bertelsmann-Studie stieg nicht nur die Zahl der Migrantenunternehmen, sondern auch die Zahl der Arbeitsplätze, die sie geschaffen haben – und zwar innerhalb von zehn Jahren – um 36 Prozent auf 1,3 Millionen.

Von türkischstämmigen Unternehmern, die es in Deutschland weit gebracht haben, gibt es viele Beispiele – etwa die Brüder Avni, Cevat und Faruk Yerli. Die Drei gründeten 1997 in Coburg den Computerspiele-Entwickler Crytek, zogen 2006 mit ihrer Firma nach Frankfurt am Main um und schufen innerhalb von ein paar Jahren weltweit mehr als 650 Arbeitsplätze. Die Söhne eines Arbeitsmigranten aus der Schwarzmeerküste eint mit anderen türkischstämmigen Unternehmensgründern vor allem der Mut. Obwohl sie „unerfahren“ waren, verfolgten sie hartnäckig ihr Ziel, Computerspiele zu entwickeln. Zum Unternehmertum gehöre Mut, Ausdauer und der Wille, für seine Ziele zu kämpfen, sagt auch Eyüp Aramaz. „Sich nicht einschüchtern lassen und hartnäckig die Geschäftsidee umzusetzen“, das rät er anderen jungen Unternehmern, die wie er noch am Anfang stehen.

Aramaz beschäftigt in seiner Firma derzeit zwei Mitarbeiter und will das Personal aufstocken. „Wir schaffen die Aufträge nicht mehr zu dritt“, sagt er. Ob er nach dem Sabbatical wieder in den Polizeidienst zurückkehrt, weiß der junge Mann noch nicht. „Das Unternehmerisch-tätig-sein macht mir sehr viel Spaß“, erklärt er. Um sich zu professionalisieren, studiert er berufsbegleitend an der Fachhochschule des Mittelstands in Bielefeld Mittelstandsmanagement.

Die Bertelsmann-Studie stellt einen Zusammenhang her zwischen dem Bildungsniveau und der Quote der selbstständigen Migranten. Das Bildungsniveau wirke sich nicht nur besonders auf die Anzahl geschaffener Arbeitsplätze aus, sondern auch auf das Einkommen dieser Selbstständigen-Gruppe. Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung, betont: „Bildung wirkt, das zeigt sich gerade bei Unternehmern mit ausländischen Wurzeln.“ ▪