Energie „ernten“
Micro Energy-Harvesting heißt der neueste Trend zur Energiegewinnung.
Wer kennt das nicht? Man ist unterwegs, ein wichtiges Telefonat muss geführt werden. Doch der Akku ist leer. Die Angst davor, unterwegs nicht online zu sein, nicht telefonieren, mailen oder facebooken zu können, ist weit verbreitet. Es gibt sogar einen Fachbegriff dafür: „Nomophobie“ - die No-Mobile-Phone-Phobia. Weltweit arbeiten Forscher, Techniker und Unternehmen daran, für mobile Anwendungen oder Sensoren neue autonome Energiequellen zu entwickeln. Das Fachwort dafür: „Micro Energy-Harvesting“ (MEH). „Geerntet“ wird die Energie dabei auf den unterschiedlichsten Wegen. Auch Bewegungen wie Gehen oder Tanzen, Vibrationen etwa von Lkw-Stoßdämpfern oder Waschmaschinen und die Abwärme von Motoren und Industrieanlagen eignen sich dafür. „Anzapfen“ lassen sich auch Luftströmungen, Bremsenergie oder Schall- und elektromagnische Wellen. Generatoren verschiedenster Art werden dafür eingesetzt. Bisher ist der MEH-Weltmarkt – vom Fahrrad-Dynamo über das Mini-Transistorradio mit Kurbel bis zum solarbetriebenen Parkschein-Automaten – noch klein. Laut dem US-Branchendienst IDTechEx geht es um einige hundert Millionen Euro pro Jahr. Doch es mehren sich die Anzeichen, dass hier ein Boom bevorsteht. Bereits in zehn Jahren könnten nach der jüngsten Prognose 2,1 Milliarden Euro erreicht werden. Der größte Teil dürfte dabei auf ganz neuartige Produkte entfallen – wie Schuh-Einlagen, die Strom für Handy-Akkus liefern, energiespendende Jacken und Hosen, kabellose Lichtschalter ohne Batterie, abwärmenutzende Lichtmaschinen am Auto-Auspuff oder sich selbst versorgende Schwingungsmesser an Brücken oder Hochhäusern.
Deutsche Projekte zu Energy-Harvesting
Das Bundesforschungsministerium hat Energy-Harvesting in seinem „Foresight-Prozess“ als eines von acht Technologie-Feldern identifiziert, die in diesem Jahrzehnt besonders wichtig werden könnten – und die deswegen noch stärker gefördert werden sollten. Eine Reihe deutsche Forschergruppen und Industrieunternehmen arbeitet bereits heute an konkreten Projekten in dem Sektor. An der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg entwickelt ein Team zum Beispiel drucksensible Turnschuhen, über die ein Pulsmesser oder eine Stoppuhr betrieben werden können. Das Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik (FEP) in Dresden widmet sich der Verbesserung und Miniaturisierung von piezoelektrischen Systemen, die Strom aus Vibrationen gewinnen. Aber auch renommierte Unternehmen wie Bosch haben die Bedeutung des MEH erkannt. Der Entwicklungschef der Bosch-Tochter Sensortec, Udo Gomez, erläutert deren Ansatz: „Ziel ist es Produkte so zu designen, dass sie ihre Energie selbst erzeugen.“
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