„Fördern durch Veröffentlichung“
Die Pressefreiheit steht weltweit unter Druck – hier sagt die Programmdirektorin der Deutschen Welle, was dagegen getan wird.
Vor dem 15. DW Global Media Forum „Shaping tomorrow, now!“der Deutschen Welle am 20. und 21. Juni 2022 spricht Programmdirektorin Gerda Meuer über Bedrohungen für Medienschaffende weltweit und wie man Betroffene unterstützen kann.
Frau Meuer, warum ist es so wichtig, dass Journalistinnen und Journalisten ohne Einschränkungen und Angst vor Repressionen arbeiten können?
Weil nur freier Journalismus mithelfen kann, eine sehr einfache Idee umzusetzen. Die Idee nämlich, dass Mitglieder einer Gesellschaft mit unabhängigen Informationen versorgt werden müssen, damit diese Gesellschaften zukunftsfähig sind. „Freie Informationen für freie Entscheidungen“, das ist unsere Kernbotschaft in der Deutschen Welle. Und das trifft es. Der freie Zugang zu Informationen ist essenziell. Wenn wir uns allerdings die Lage der Pressefreiheit weltweit anschauen, etwa in Asien und Afrika, dann ist das Bild besorgniserregend. 2021 wurden über 400 Medienschaffende ins Gefängnis gesteckt. So viele wie noch nie in einem Jahr. Autokraten und Diktatoren in aller Welt fürchten die Wahrheit. Ihre Macht gründet oft auf Lüge. Für die Wahrheit arbeiten dann häufig nur noch einige mutige Medienleute, die sich selbst und ihre Arbeit vor der Lüge schützen müssen.
Wie nehmen Sie die aktuelle Situation in einzelnen Regionen wahr?
Feinde des unabhängigen Journalismus gibt es auf allen Kontinenten. Aktuell im Fokus sind besonders Russland, China, Iran, Saudi-Arabien, weitere Staaten aus der arabischen Welt sowie aus Lateinamerika. Hier decken sich die Erfahrungen aus unserer Arbeit weltweit mit der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“. Auch in Gesprächen mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus über 100 Nationen erfahre ich, wie es um die Pressefreiheit in ihren Herkunftsländern steht. Zum Beispiel über Hintergründe neuer Mediengesetze in Indien und Bangladesch, die Social Media nicht nur strenger regulieren, sondern auch investigative Recherchen noch weiter erschweren. Verschärfte Mediengesetze in der Türkei oder in Ungarn bereiten mir ebenfalls Sorgen. Nicht nur, weil unsere eigenen Mitarbeitenden dadurch direkt betroffen sind. Vor allem Repressionen gegen Online-Reporter nehmen weltweit stark zu. Das geht von digitaler Überwachung über öffentliche Diffamierung bis hin zu Drohungen und Mord.
Gibt es auch positive Entwicklungen?
Doch, durchaus. In vielen Ländern sehen wir seit einiger Zeit zum Beispiel ein wachsendes Bewusstsein für eine größere Diversität im Journalismus. Das fängt mit einer breiteren Themenauswahl an, geht über vielfältigere Ausspielwege bis hin zu einer sensibleren Sprache. Selbst in Ländern aus eher konservativen Weltregionen wie Lateinamerika oder auch Osteuropa finden zum Beispiel vermehrt Frauenthemen Beachtung oder auch Themen, die sich an bestimmte, bisher wenig berücksichtigte Zielgruppen richten.
Noch einmal zurück zur Bedrohung von Journalistinnen und Journalisten. Wie gehen die Betroffenen damit um?
Das kommt auf die Lebensumstände an. Es gibt Journalistinnen und Journalisten, die in ihrer Heimat Repressionen ausgesetzt sind und keinen anderen Ausweg mehr sehen, als ins Exil zu gehen oder ihren Beruf aufzugeben. Es gibt auch Medienschaffende, die sich bewusst entscheiden zu bleiben, weil sie innerhalb des Systems ihre Stimme erheben wollen. Dazu braucht es sehr viel Mut.
Welche Möglichkeiten gibt es, freien Journalismus weltweit zu fördern, und welchen Beitrag leistet Deutschland?
Ich kann hier vor allem für uns, also die Deutsche Welle sprechen. Grundsätzlich gilt: Die beste Förderung ist immer noch die Veröffentlichung. Ein Text, ein Video, ein Podcast – alles, was verhindert werden soll und trotzdem eine Plattform findet, ist eine Förderung des freien Journalismus. Als Deutsche Welle bieten wir auch bedrängten Medienschaffenden eine Plattform. Für uns arbeiten sowohl Menschen, die nur noch außerhalb ihrer Heimat journalistisch aktiv sein können, als auch solche, die trotz drohender Repressionen weiter aus ihrem Land heraus berichten. Wir verleihen außerdem jährlich den Freedom of Speech Award für herausragende Leistungen, die Meinungsfreiheit befördern. In diesem Jahr geht er an Mstyslav Chernov und Evgeniy Maloletka aus der Ukraine. Die beiden Reporter versorgen die Welt mit Informationen über den Angriffskrieg Russlands gegen ihr Heimatland. Unter anderem mit einem einzigartigen Bericht über die Belagerung der Stadt Mariupol durch das russische Militär. Dieser beeindruckende Mut kann Kolleginnen und Kollegen weltweit Hoffnung machen. Ihre Arbeit wird gebraucht.