Deutsche Stimme für türkische Autoren
Wertvoll in politisch schwierigen Zeiten: Der binooki Verlag bringt türkische Autoren auf Deutsch heraus. Dafür bekamen die beiden Gründerinnen nun einen wichtigen Kulturpreis.
Es ist „ein unheimliches Glück“, so kommentieren die Schwestern İnci Bürhaniye und Selma Wels die Nachricht, dass sie einen der höchstdotierten Kulturpreise Europas erhalten. Die Jury des Kairos-Preises der Alfred Toepfer Stiftung begründete ihre Entscheidung damit, dass sich binooki als einziger Verlag in Deutschland „dezidiert der Übersetzung türkischer Literatur ins Deutsche“ widme und damit „einen Beitrag zum – gerade aktuell – dringend nötigen Kulturaustausch“ leiste. Die Verlegerinnen erhalten den Preis für „ihren unternehmerischen Mut, ihren Pioniergeist und ihre kulturelle Vermittlungsarbeit“.
Diese Begründung sei „großartig“, so İnci Bürhaniye. Sie spiegele ihre Motivation und die ihrer Schwester Selma Wels zur Gründung des binooki Verlags wider. Zugleich war die Auszeichnung für die beiden Schwestern eine „unglaubliche Überraschung“, denn für den Kairos-Preis kann man sich weder bewerben noch wird man dafür vorgeschlagen. Dotiert ist der Preis mit 75.000 Euro, die der Verlag gut gebrauchen kann. So sei es seit der Veröffentlichung der Anthologie zur Gezi-Protestbewegung im Jahr 2014 nicht mehr möglich gewesen, eine Übersetzungsförderung aus der Türkei zu bekommen. Weil auch Unterstützung aus anderen Übersetzungsfonds ausbleibt, trägt binooki die Kosten von Übersetzungen selbst – „was ein enormer Kraftakt für einen so jungen Indie-Verlag ist“.
Auch Autoren, die anecken
Welches Buch sie in ihr Programm aufnehmen, entscheiden die 50-jährige İnci Bürhaniye und ihre zwölf Jahre jüngere Schwester Selma Wels nach ihrem Geschmack. Wenn sie ein Buch überzeugt, bemühen sie sich um die Lizenzen für die deutsche Übersetzung. Schriftsteller seien, so die Einschätzung der beiden Verlegerinnen, in der Türkei nicht ganz so im Fokus wie Journalisten. Zensur habe es zwar immer wieder gegeben, die Literatur sei aber dabei „immer relativ frei geblieben, trotz einer nicht zu leugnenden Bedrohung“. Nichtsdestotrotz sei allen Autoren klar, dass sie vorsichtig sein müssten.
„Wir verlegen ja auch Autoren, die ihre politische Meinung sagen oder dadurch anecken, dass sie Mitarbeiter bestimmter Zeitungen waren“, erklären die Verlegerinnen. Autoren, die aneckten, sind beispielsweise Emrah Serbes, Gaye Boralıoğlu und Murat Uyurkulak. Letzterer ist jüngst wegen seiner journalistischen Arbeit zu einer Haftstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt worden. Die Verlegerinnen finden gut, dass sie Autoren, die man in der Türkei zum Verstummen bringen möchte, auf Deutsch eine Stimme verleihen können. Aus rein politischen Gründen ein Buch verlegen, das will binooki allerdings auch künftig nicht.
Die Idee, einen Verlag für türkische Literatur zu gründen, kam den Schwestern nach dem Besuch der Istanbuler Buchmesse. Die Betriebswirtin Selma Wels und die Anwältin Inci Bürhaniye wollten eine Kulturbrücke zwischen ihren beiden Heimaten schaffen, und starteten 2011 mit dem ungewöhnlichen Namen binooki. Er ist eine Abwandlung des türkischen Wortes binokl, das eine Zwicker-Brille bezeichnet. Das Verlagsprogramm umfasst inzwischen 30 Titel von zeitgenössischen türkischen Autorinnen und Autoren, die in ihren Romanen, Krimis und Kurzgeschichten die Vielfalt der türkischen Gesellschaft spiegeln.
Buchmesse Istanbul: Von der Freiheit des Wortes
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