Deutschland und Tschechien
Im Deutsch-Tschechischen Kulturfrühling 2017 gibt es viel zu entdecken.
Gerhard Richter ist ein Künstler der Superlative: Seine Werke sind so überraschend vielseitig, man glaubt kaum, dass sie alle von demselben Maler stammen. Vom Realismus der 1960er-Jahre bis zur Abstraktion – der 1932 in Dresden geborene Künstler beherrscht so gut wie jedes Genre. Spannend ist dabei, wie Richter in seinen so unterschiedlichen Arbeiten immer wieder Bezug auf die deutsche Geschichte nimmt. Inzwischen haben seine Werke alle Preisrekorde für lebende europäische Künstler gebrochen. Die Summen, die für seine Kunst gezahlt werden, bezeichnet Richter selbst gerne als „vollkommen absurd“. Der künstlerische Wert seiner Werke ist hingegen kaum zu beziffern. Mehr als 50 Arbeiten sind ab dem 26. April 2017 in der Prager Nationalgalerie zu sehen: Das Museum in der tschechischen Hauptstadt zeigt bis zum 3. September 2017 die erste große Retrospektive des bekanntesten zeitgenössischen deutschen Künstlers in Osteuropa.
Dokument der Versöhnung
Der Amerikaner Robert Storr, Kunstexperte und Freund Richters, hat die Retrospektive als Teil des Deutsch-Tschechischen Kulturfrühlings 2017 kuratiert. Die Initiative und mit ihr die Richter-Ausstellung als einer der Höhepunkte sind eine Art Geburtstagsgeschenk beider Länder aneinander: 2017 feiern Deutschland und Tschechien den 20. Jahrestag der Deutsch-Tschechischen Erklärung vom 21. Januar 1997. Sie ist ein grundlegendes Dokument beider Regierungen und fordert dazu auf, die bilateralen Beziehungen nicht mit den schwierigen Fragen der Vergangenheit zu belasten, sondern den Blick in die Zukunft zu richten. Damit Verständigung tatsächlich gedeihen konnte, legten beide Länder zugleich mit dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und dem Deutsch-Tschechischen Gesprächsforum den Grundstein für Begegnungen zwischen Bürgerinnen und Bürgern beiden Länder.
Großes Rahmenprogramm
Neben der Richter-Ausstellung in Prag zieht der Kulturfrühling auch in andere Regionen Tschechiens ein. Initiiert vom Auswärtigen Amt, wird das Projekt gemeinsam von der Deutschen Botschaft Prag und dem Goethe-Institut Prag in Zusammenarbeit mit dem tschechischen Kulturministerium, dem Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds umgesetzt. Insgesamt sind bis Juni 170 gemeinsame Projekte geplant, rund 40 davon laden auch in Deutschland zu deutsch-tschechischen Begegnungen ein. Zahlreiche Festivals heben die Gemeinsamkeiten beider Länder ebenso hervor wie ihre regionalen Besonderheiten. Schweinebraten, Kraut und Knödel zum Beispiel sind Gerichte, die in Deutschland und in Tschechien beliebt sind – aber sie schmecken eben doch je nach Art der Zubereitung anders. „Vielfalt durch Gastronomie“ heißt deshalb ein Veranstaltungspunkt des Kulturfrühlings. Wie kulturelle Diversität in der Gastronomie eine Ausdrucksform findet, zeigt das Beispiel der Böhmischen Brüder, einer protestantischen Gemeinschaft, die im 18. Jahrhundert nach Berlin Rixdorf flohen. Sie gründeten dort ein „böhmisches Dorf“, das heute zu einem angesagten und multiethnischen Bezirk gewachsen ist. Libanesen, Iraner und andere Nationalitäten prägen die neue lokale Küche im Rixdorfer Kiez. Der beliebte Imbiss „Rixbox“ wurde zum Zentrum nachbarschaftlicher Begegnungen. Nach diesem Vorbild soll eine mobile „Gastro-Box“ in verschiedenen tschechischen Städten gemeinsam mit Gastronomen und Bürgern aufgebaut werden. Sie wird als Catering des Regionalprogramms eingesetzt, im öffentlichen Raum, mit Kochklubs, Bauernmärkten, Schul- und Stadtteilinitiativen oder virtuell über Blogs und Soziale Medien begleitet.
Gemeinsam in die Zukunft
Außerdem gehört ein Jugendaustausch zum Kulturfrühling: Entlang der deutsch-tschechischen Grenze werden gemeinsam mit der Deutsch-Tschechischen Fußballschule und dem Koordinierungszentrum des Deutsch-Tschechischen Jugendaustauschs Tandem insgesamt 22 Jugendturniere mit 350 Jugendteams und 4.000 Teilnehmern ausgerichtet. Schließlich hat der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds als Beitrag zum Jubiläum im Jahr 2016 eine Förderung für Projekte zur deutsch-tschechischen kulturellen Vielfalt und zu deutsch-tschechischen Kultur-Startups ausgeschrieben. Für neue Impulse in den bilateralen Beziehungen ist damit auch in den kommenden Jahren gesorgt.