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Faszination in Gegenwart und Geschichte

Die deutsche Hauptstadt und ihr Umfeld ziehen mehr und mehr US-Film und -Fernsehen an.

Markus Ehrenberg, 23.06.2015

Glienicker Brücke, Kastanienallee, Brunnenstraße, Gendarmenmarkt, Stauffenbergstraße – wer sich in diesen Tagen und Wochen in Berlin umschaut, könnte Spionen über den Weg laufen. Oder Claire Danes, der Schauspielern, die sich als Ex-CIA-Agentin für die fünfte Staffel der US-TV-Serie „Homeland“ durch die deutsche Hauptstadt schlägt. Die vierte Staffel der Serie spielte noch im Nahen Osten. Nun spiegelt Berlin den Krieg gegen den Terror, auch wenn Carrie Mathison jetzt keine Geheimdienstmitarbeiterin mehr ist, sondern für eine private Sicherheitsfirma arbeitet. Im neuen „Homeland“ sollen, so Produzent Alex Gansa, die deutsche Außenpolitik sowie aktuelle politische Ereignisse miteinbezogen werden, zum Beispiel die Geschehnisse in der Ukraine, aber auch die in Syrien.

Es ist das erste Mal, dass eine komplette Staffel einer US-Serie in Deutschland produziert wird. Kosten: 40 Millionen Euro. Ein weiterer Beleg dafür, dass die deutsche Hauptstadt und ihr Umfeld mit ihrer Geschichte und Gegenwart dem fiktionalen Erzählen faszinierende Perspektiven bietet. Zweiter-Weltkriegs-Film, Literaturverfilmung, Gegenwartsthriller, die Faszination geht durch alle Genres. Quentin Tarantino drehte 2008 im Studio Babelsberg „Inglourious Basterds“, in dem das Kino die Nazis besiegte. Im letzten Winter stapfte Steven Spielberg mit Tom Hanks für seinen Kalter-Kriegs-Thriller „Bridge of Spies“ über die verschneite Glienicker Brücke. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat noch für 2015 ein Förderprogramm für die Filmwirtschaft angekündigt, das auch die Unterstützung hochkarätiger Serienformate vorsieht. Die Rede ist von einem zweistelligen Millionenbetrag. Wie man in der Branche hört, sollen weitere internationale Serien-Projekte des Kalibers „Homeland“ für Berlin folgen.

Berlin ist die Hauptstadt des Kalten Kriegs gewesen; in keiner anderen Stadt sind sich Ost und West so direkt begegnet. Deswegen war Berlin für lange Zeit auch die Hauptstadt der Spione. Die Glienicker Brücke zwischen (ehemals West-)Berlin und Potsdam (ehemals DDR), die ab Juli 1953 nur mit Sondergenehmigung passiert werden konnte, war zwischen 1962 und 1986 dreimal Schauplatz eines Agentenaustauschs. Die spektakulärste Aktion hat Steven Spielberg mit Tom Hanks in „Bridge of Spies“ verfilmt – am Originalschauplatz. Hier, an der Glienicker Brücke, lagen sich im November 1989 am Tag nach dem Mauerfall Potsdamer und Berliner in den Armen.

Aber muss sich beim Thema „Berlin und Film“ immer alles um Spionage, Krieg oder Terror drehen? Produzent Nico Hofmann („Unsere Mütter, unsere Väter“), Vorsitzender der Geschäftsführung der Ufa Fiction, fasziniert vielmehr „diese Stimmung des Melting Pots, der Schmelztiegel, den Berlin heute als Weltmetropole bietet“. So viele verschiedene Kulturen, so viel Energie. „Ich sehe da eine Analogie zum Berlin der 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Bezeichnenderweise dreht jetzt Tom Tykwer mit ,Babylon Berlin’ eine Serie, die auf den Krimis des Schriftstellers Volker Kutscher in dieser Zeit basiert, eines der ambitioniertesten deutschen Serien-Projekte.“

Zurück zur internationalen Serie, zu „Homeland“. Gedreht wird in Berlin noch mindestens bis September 2015, möglicherweise auch an der Glienicker Brücke. Das mit Spannung erwartete Ergebnis, die Ausstrahlung der fünften Staffel, soll bereits ab September in den USA zu sehen sein.