Deutsch-türkischer Dialog im Netz
Weg von Klischees und Vorurteilen: Die zweisprachige Plattform „Maviblau“ zeigt die Fülle deutsch-türkischer Kultur.
Am Abend des 15. Juli 2016 sitzt Tuğba Yalçınkaya mit Freunden auf der asiatischen Seite Istanbuls am Strand des Marmarameeres und genießt unbeschwert den Sonnenuntergang. Bis einer der Freunde auf dem Smartphone die Nachrichten liest und erfährt, dass Militär in den Straßen Istanbuls unterwegs ist. Die Unbeschwertheit sei in diesem Moment zum Ausnahmezustand geworden, schreibt sie in einem sehr persönlichen Text, der ein paar Tage später beim Online-Magazin „Maviblau“ erscheint. Titel des Beitrags: „Und die Welt steht still.“ Darin schildert die junge Frau, wie sie den Abend des Putschversuchs in der Türkei erlebt hat. Wie die Menschen auf der Straße nervös wurden. Und welche Sorgen ihr durch den Kopf gingen.
Die eigene, persönliche Sicht auf politische und gesellschaftliche Entwicklungen zu zeigen, ist Tuğba Yalçınkaya wichtig. Mit diesem Anspruch entwickelte sie 2015 in Istanbul mit einigen anderen jungen Leuten zusammen auch die Idee für das deutsch-türkische Kulturportal „Maviblau“. „Wir sind ein Kulturmagazin, aber natürlich wollen und können wir Politik nicht völlig ausklammern“, sagt sie. Geboren und aufgewachsen ist Yalçınkaya in Herford, wohin ihr türkischer Großvater 1973 als Arbeiter gekommen war. „Aber ich habe eine enge Beziehung zur Türkei entwickelt.“ Fünf Jahre studierte und arbeitete die heute 28-Jährige in Istanbul, bevor sie 2017 nach Berlin zog.
Maviblau arbeitet in Berlin und Istanbul
Eine enge Bindung zur Türkei treibt alle Mitglieder ihres zweisprachigen Magazins – Türken, Deutschtürken und Deutsche – an: „Wir wollen der Vielfalt der deutsch-türkischen Beziehungen gerecht werden“, so Yalçınkaya. Heute besteht das ehrenamtliche Team aus rund 30 jungen Menschen in Istanbul und Berlin. Studierende, Journalisten, Fotografen und Kulturwissenschaftler betreuen „Maviblau“ und organisieren mittlerweile auch Workshops, Lesungen und andere interkulturelle Projekte. Mehrere Übersetzer sorgen dafür, dass dem kulturellen Austausch auch sprachlich nichts im Weg steht.
Großes Interesse an der Türkei
„Die Fülle an Perspektiven empfinde ich als große Bereicherung für unsere Arbeit“, sagt Laurenz Schreiner. Er trat der Redaktion bei, nachdem er 2015 ein halbes Jahr in Istanbul studiert und sich in die Türkei verliebt hatte. Vor seinem Auslandssemester wusste der Student der Politischen Kommunikation wenig über die türkische Kultur. „Die Stadt reizte mich gerade deswegen“, erinnert sich der 25-Jährige. In der Türkei reiste Laurenz viel, sog Kultur und Alltagsleben ein und bloggte darüber. „So begann das Schreiben über die Türkei.“ Medienerfahrung hatte Laurenz schon, unter anderem durch die freie Mitarbeit bei Zeitungen. Im Jahr 2016 wurde er Teil der redaktionellen Leitung von „Maviblau“.
Seitdem haben die deutsch-türkischen Beziehungen auf politischer Ebene auch manches schwere Fahrwasser überstehen müssen. „Wir wollen aber betonen, dass das nicht automatisch einen Abbruch der gesellschaftlichen und kulturellen Kommunikation bedeutet“, sagt Laurenz. Dass viele diese Sicht teilen, zeigt die wachsende Zahl der „Maviblau"-Leser. Im Jahr 2018 waren in manchen Monaten fast 10.000 Nutzer auf der Seite, Tendenz steigend.
Sprache als Thema
Das Themenspektrum bei „Maviblau“ ist weit. Sprache ist dabei nicht nur Medium, sie kann auch selbst Thema werden. Wie im Beitrag über den schwer übersetzbaren türkischen Begriff „gurbet“, der Heimweh und Sehnsucht transportiert. Daneben gibt es Filmrezensionen, Fotoserien, Interviews mit Kunst- und Kulturschaffenden, Reportagen und vieles mehr.
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