Von Filzhut bis Fettecke - Das Beuys-ABC
Joseph Beuys (1921-1986) hat wie kein anderer die Kunst in der Nachkriegsära revolutioniert. Was man über Beuys wissen sollte.
Düsseldorf (dpa) - Joseph Beuys (1921-1986) hat wie kein anderer die Kunst in der Nachkriegsära revolutioniert. Was man über Beuys wissen sollte:
A wie Akademie: Beuys studierte von 1946 bis 1954 an der Düsseldorfer Kunstakademie. 1961 wurde er zum Professor für monumentale Bildhauerei ernannt. 1972 wurde Beuys fristlos gekündigt, nachdem er mit abgewiesenen Bewerbern das Sekretariat der Kunstakademie Düsseldorf besetzt hatte.
B wie Block Beuys: Der größte Werkkomplex befindet sich im Hessischen Landesmuseum Darmstadt. Zu den 290 Arbeiten gehören Schlüsselwerke wie der Stuhl mit Fett und Filzobjekte.
C wie Capri-Batterie: Eines der bekanntesten Auflagenobjekte von Beuys ist eine gelbe Glühbirne mit einer echten Zitrone am Stromstecker.
D wie Drakeplatz 4: Eine der berühmtesten Adressen in der Düsseldorfer Kunstszene. Hier lebte und arbeitete Beuys von 1961 bis zu seinem Tod 1986.
E wie Erweiterter Kunstbegriff: Beuys beschränkte die Kunst nicht auf ein abgeschlossenes Werk, sondern bezog das kreative Denken und Handeln des Menschen sowie alle Bereiche ein, die in der Gesellschaft und in den sozialen Beziehungen wirken. Beuys sah die Gesellschaft als «Soziale Plastik», an der jeder Mensch als Künstler mitwirken kann.
F wie Fettecke: Sie machte Beuys berühmt. Kiloweise Fett schmierte er in die Ecken seiner Aktionsräume, Wohnung und Akademieateliers. Als ein Hausmeister nach dem Tod von Beuys 1986 die Fettecke in der Kunstakademie abkratzte, war das ein Skandal. Beuys' Schüler Johannes Stüttgen hütete die Butterreste Jahrzehnte und ließ 2014 junge Künstler Schnaps daraus brennen.
G wie Grüne: Beuys war Mitbegründer der Grünen und gestaltete Kampagnen und Wahlkampfplakate.
H wie Hut: Der Filzhut der Marke Stetson war das Erkennungszeichen von Beuys. Erfunden ist die Interpretation, Beuys habe nach seinem Absturz als Kriegspilot eine Silberplatte in seinen Kopf implantiert bekommen, die er mit dem Hut habe schützen müssen.
I wie Immendorff: Jörg Immendorff, Imi Knoebel, Katharina Sieverding, Blinky Palermo - sie alle waren Schüler von Beuys und wurden berühmt.
J wie Jeder Mensch ist ein Künstler: Der zentrale Satz in Beuys' künstlerischem Kosmos.
K wie Krim: Frei erfunden war Beuys' Erzählung, er sei nach seinem Absturz 1944 über der Krim schwerverletzt von Tataren gerettet worden, die ihn in Filz gewickelt und seine Wunden mit Fett gesalbt hätten. Tatsächlich erlitt Beuys wohl eine Gehirnerschütterung und kam in ein Lazarett der Wehrmacht.
L wie Lehmbruck: Wenige Tage vor seinem Tod wurde Beuys mit dem Wilhelm-Lehmbruck-Preis der Stadt Duisburg ausgezeichnet. In einer legendären Rede bedankte Beuys sich bei seinem «Lehrer», dem Bildhauer Lehmbruck (1881-1919).
M wie Mataré: Der Bildhauerei-Professor Ewald Mataré ernannte Beuys 1951 zu seinem Meisterschüler. Als Beuys sich 1958 um eine Professur an der Kunstakademie bemühte, wollte Mataré das allerdings verhindern.
N wie Natur: Für Beuys waren die Stoffe der Natur von geistigen Kräften beseelt. 7000 Eichen ließ er seit 1982 im Rahmen der Documenta 7 in Kassel pflanzen - mit jeweils einem Basaltstein als Begleiter. Heute gilt das Werk als ein Beitrag zur Nachhaltigkeit.
O wie Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung: Die Initiative rief Beuys 1971, gemeinsam mit anderen ins Leben. Zur Documenta 5 im Jahr 1972 eröffnete Beuys ein gleichnamiges Büro: 100 Tage diskutierte er mit den Besuchern Sinn und Zweck direkter Demokratie.
P wie Piano: Beuys lernte in seiner Jugend Klavierspielen. Als künstlerisches Objekt verwendete Beuys das Klavier immer wieder. In der Aktion «Sibirische Symphonie 1» legte er Tonklumpen auf dem Flügel ab, in denen jeweils ein Ast steckte. Beuys hüllte auch einmal einen Flügel in Filz ein. Mit Nam June Paik spielte Beuys Klavierduette.
Q wie Quatsch: Beuys habe den meisten Quatsch erzählt, konstatierte schon 1970 ein Kunsthistoriker nach einem Fernsehauftritt von Beuys. Klaus Staeck, langjähriger Freund von Beuys, sagte zur Debatte über angeblich völkisches Gedankengut des Künstlers: «Beuys reduzieren zu wollen auf einen ewig Gestrigen, der noch nach 1945 dem Nationalsozialismus heimlich oder unheimlich angehangen hat, finde ich – salopp gesagt – Quatsch!»
R wie Revolution: Ein Ausstellungsplakat aus Neapel gehörte zur Grundausstattung vieler Studenten-WGs. Es zeigt Beuys fast in Lebensgröße mit Hut, Anglerweste, Jeans und Lederstiefeln. Darunter schrieb er: «La Rivoluzione siamo Noi – Die Revolution sind Wir.»
S wie Schamane: So wurde Beuys genannt. Er arbeitete mit Tierknochen, Vogelschädeln, Fell, Hasenpfoten und sogar Kadavern von Ratten und Hasen.
T wie TV: Beuys war ein Medienstar, der viel in Talkshows auftrat. 1964 wurde im ZDF live übertragen, wie Beuys einen Turm von Margarine-Würfeln zu einer Fettecke verstrich. Von der Aktion «Das Schweigen des Marcel Duchamp wird überbewertet» gibt es nur noch Fotos.
U wie Universalkünstler: Beuys war Zeichner, Bildhauer, Aktionist, Fluxus- und Performance-Künstler.
V wie Van der Grinten: In einer tiefen künstlerischen Krise arbeitete Beuys 1957 für einige Monate auf dem Bauernhof der Familie van der Grinten in Kranenburg am Niederrhein. Mit den Brüdern Hans und Franz Joseph van der Grinten war er seit 1946 befreundet. 1953 veranstalteten die Brüder die erste Ausstellung von Beuys-Werken auf dem Bauernhof und bauten später die weltweit größte Sammlung an frühen Werken von Beuys auf.
W wie Witz: Beuys hatte Humor, sein breites Lachen ist auf vielen Fotos zu sehen. Zeitungsschlagzeilen wie «Kunstprofessor spielt Mumie», «Professor bellt ins Mikrofon» zeugen von seinem Witz.
X wie Kreuz: Das Kreuz taucht immer wieder als Symbol bei Beuys auf. 1959 schuf er in Meerbusch-Büderich mit dem Motiv des Christus am Kreuz ein Mahnmal für die Gefallenen der Weltkriege.
Y wie Youtube: Heute würde Beuys wahrscheinlich Youtube und Instagram für sich nutzen und wäre ein «Influencer». Im Netz sind zahlreiche Videos seiner Aktionen und Interviews zu sehen.
Z wie «zeige deine Wunde»: Das Münchener Lenbachhaus beherbergt dieses Hauptwerk von Beuys - ein Krankenzimmer mit zwei Leichenbahren, unter denen Zinkblechkästen stehen, die unter anderem Reagenzgläser mit skelettierten Vogelköpfen enthalten. Das Werk steht für die eigene Verletzlichkeit und Vergangenheitsbewältigung. Beim Ankauf Ende der 70er Jahre wurde es von Kritikern als «teuerster Sperrmüll aller Zeiten» bezeichnet.