Der arabische Schindler
Mod Helmy war ein mutiger Mann. Im Berlin der Nazi-Zeit rettete der Muslim mehreren Juden das Leben. Der ungewöhnlichen Geschichte spürte der Israeli Igal Avidan nach.
Mod Helmy war Arzt – und für seine jüdischen Patienten ein Freund und sogar ein Lebensretter. In der Zeit des Nationalsozialismus half der Ägypter, der nach seinem Studium in Berlin geblieben war, mehreren Juden. Dabei bewies er viel Wagemut und Kreativität. Die ungewöhnliche Geschichte von Mod (Mohamed) Helmy geriet lange in Vergessenheit. Der in Berlin lebende israelische Journalist Igal Avidan hat Zeitzeugen und Dokumente aufgespürt und ein Buch über den muslimischen Judenretter geschrieben.
Mod Helmy wurde 2013 von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern ausgezeichnet – als bisher einziger Araber. Verliehen wurde der Titel erst Ende 2017, als sich ein Neffe Helmys bereit erklärte, die Medaille und Ehrenurkunde in Berlin aus den Händen des israelischen Botschafters entgegen zu nehmen.
Herr Avidan, wann haben Sie zum ersten Mal von Mod Helmy gehört?
2013 habe ich in der Zeitung gelesen, dass die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem zum ersten Mal einem Araber den Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ verleiht. Mod Helmy wurde ausgezeichnet, weil er während des Holocausts eine Jüdin bei sich versteckt hat. Das fand ich faszinierend und es war der Anfang einer großen Recherche.
In Ihrem Buch berichten Sie auch über eine Familie, der Mod Helmy ganz besonders half.
Ja, die Jüdin Celine Rudnik war Patientin in Helmys Privatpraxis. Damals war es für Juden fast unmöglich noch einen Arzt zu finden. Als Helmy erfuhr, dass die Gestapo Celine Rudnik sucht, vermittelt er ihr eine Bekannte, bei der sie sich verstecken konnte. Später half er dann auch ihrer Enkelin Anna. Das ist eine unglaubliche Geschichte: Er versteckt Anna nicht heimlich, sondern stellte sie als angebliche muslimische Arzthelferin in seiner Praxis ein. Das ging auch sehr lange gut, wahrscheinlich konnte die Gestapo sich nicht vorstellen, dass ausgerechnet ein Araber eine Jüdin unterstützt und versteckt.
War das nicht riskant für Mod Helmy? Warum hat er das gemacht?
Er war ein pflichtbewusster Mensch. Er kannte Annas Familie, das waren seine Patienten, da konnte er sie nicht im Stich lassen. Obwohl es sehr riskant war für ihn: Als aufgeflogen ist, dass Anna jüdisch ist, wurde Helmy zur Gestapo zitiert. Im Verhör hat er klug gelogen und sich ausgemalt, was die Gestapo wissen kann und was nicht. Alles ging gut, die Gestapo hat ihn dann entlassen. Aber Helmy hatte noch eine Bitte: dass Annas Mutter, die auf dem Transport ins KZ war, freigelassen wird. Das muss man sich mal vorstellen! Statt nach der Befragung unterzutauchen und froh zu sein, dass man frei ist, stellt Helmy noch eine Forderungen für eine andere Jüdin. Das ist unglaublich mutig und zeigt seinen wirklichen Charakter.
Mod Helmy wurde Zeit seines Lebens nie richtig gewürdigt. 1982 ist er gestorben. Wie schwierig war es Zeitzeugen zu finden?
Das war ganz schön schwierig. Ich habe viele verschiedene Quellen angezapft unter anderem habe ich auch eine Anzeige in einer Berliner Zeitung aufgegeben. So konnte ich sogar noch eine Patientin und eine ehemalige Arbeitskollegin von Mod Helmy finden. Die ganze Recherche war ein großes Puzzle und wie eine Detektivarbeit. Es gibt Dokumente, die habe ich zehn Mal gelesen und erst beim elften Mal fiel mir ein winziges Detail auf, dass dann zu einem anderen Puzzleteil führte. Und über jedes Teil habe ich mich sehr gefreut.
Welche Bedeutung kann die Geschichte für uns heute haben?
Mit Mod Helmy haben wir ein Gegenbeispiel zum Mufti von Jerusalem, der immer wieder als Verbündeter der Nazis zitiert wird. Ich hoffe, dass mit der Figur von Mod Helmy ein Dialog zwischen Juden und Muslimen auch in Deutschland entsteht. Die Geschichte kann zudem das Interesse junger Migranten aus dem Nahen Osten zum Thema Holocaust wecken. Mod Helmy könnte eine Identifikationsfigur, ein Vorbild für muslimische Jugendliche sein.
Interview: Viktoria Kleber