Gemeinsames Erbe
Mitten durch den Muskauer Park verläuft die deutsch-polnische Grenze – das gemeinsame UNESCO -Welterbe verbindet die Länder.
„Sonst sieht man an Grenzübergängen oft den großen Kontrast zwischen zwei Ländern. Hier im Park nimmt man die Grenze kaum wahr“, beschreibt Christoph Schneider-Laris vom Verein MusKnica, was den Muskauer Park aus seiner Sicht so besonders macht. „Dieser Park ist eine Einheit. Und so verbindet er Deutschland und Polen.“
Als der Muskauer Park (polnisch: Park Mużakowski) 1815 von Hermann Fürst von Pückler-Muskau angelegt wurde, gab es hier keine Grenze zwischen Deutschland und Polen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Neiße, die den Park durchfließt, zur Grenze zwischen den Ländern erklärt, seitdem befindet sich der Park zu etwa einem Drittel in Deutschland nahe der sächsischen Stadt Bad Muskau und zu zwei Dritteln in Polen nahe der Stadt Łęknica in der Woiwodschaft Lebus. Zwei Brücken überqueren den Grenzfluss heute im Park; auf einer der beiden wurde 2004 feierlich die Ernennung des Muskauer Parks zum UNESCO-Welterbe unterschrieben. Es ist eine der wenigen Welterbestätten, die grenzübergreifend sind. Der Park gilt als größter Landschaftspark englischen Stils in Zentraleuropa.
„Für unsere Region“, sagt Schneider-Laris, „ist dieser Park ein enorm wichtiges Zeichen. Indem er wiederhergestellt wurde, haben die Länder ein Stück weit die Wunden des Zweiten Weltkrieges und der Grenzziehung getilgt. Der Park hat wieder seinen alten Glanz und damit ist er ein enorm verbindendes Element.“
Der gigantische Park wurde von Fürst Pückler angelegt
Der Muskauer Park ist nicht irgendein Park. Ein Gigant ist er nicht nur wegen seiner Größe von rund 830 Hektar, sondern auch in seiner Bedeutung: Als „außergewöhnliches Beispiel eines europäischen Landschaftsparks“ beschreibt ihn die UNESCO, „der seinerzeit wegweisend für eine meisterhafte, vom Menschen gestaltete Landschaft war“. Von Landschaftsgärten in England inspiriert, ließ Parkschöpfer Pückler hier Seen und einen Nebenarm der Neiße ausheben, unzählige Bäume pflanzen und Wege anlegen, die zu den schönsten Plätzen seines Parks führten. Als Pückler diesen dann 1845 verkaufen musste – finanzielle Schwierigkeiten begleiteten ihn ein Leben lang und die Mitgift seiner Gattin Lucie war durch den Park längst aufgezehrt – fand er kunstsinnige Nachfolger, die seine Arbeit fortführten und ergänzten.
Der Zweite Weltkrieg allerdings war auch für den Muskauer Park eine Zäsur: In den letzten Kriegswochen, als im Park gekämpft wurde, kam es zu schweren Schäden an Bäumen und Gebäuden; das Neue Schloss brannte nieder. Dann erklärte das Potsdamer Abkommen die Neuordnung Europas: Die Neiße wurde zur Staatsgrenze zwischen der DDR und der nach Westen verschobenen Volksrepublik Polen. Der Park war geteilt; es schien sein Ende zu sein. Im deutschen Parkteil nutzte man den Schlossgarten in den ersten Nachkriegsjahren zwar als Anbaufläche für Gemüse und Kartoffeln, begann aber bald damit, dessen vorherige Gestalt so gut wie möglich wiederherzustellen. Polen erklärte den östlichen Teil zum Naturschutzgebiet. Und ließ ihn aufforsten oder zuwuchern.
Gemeinsam wurde der historische Park rekonstruiert
„Das war ein richtiger Dschungel“, erinnert sich Sophie Geisler von der Stiftung „Fürst-Pückler-Park Bad Muskau“. Detektivarbeit sei es geradezu gewesen, als die vom Freistaat Sachsen gegründete Stiftung gemeinsam mit dem polnischen Partner-Institut ab Mitte der 1990er-Jahre damit begann, den Park von einst wieder herzustellen: „Wir haben uns orientiert an älteren Gehölzstrukturen, die erkennbar schon vor dem Krieg hier gestanden haben. Dann haben wir gepflasterte Entwässerungsrinnen und Abschläge gefunden, und so die historischen Wege rekonstruieren können. Manche ursprünglich gestalteten Partien sind aber noch immer im Dickicht versteckt.“
Als glückliche Wendung der Geschichte bezeichnet Geisler die deutsch-polnische Kooperation. „Den Park wieder zu dem zu machen, der er einmal war“: Für sie ist das der Kern der gemeinsamen Anstrengung. Dazu gehört, dass an den beiden Brücken über die Neiße zwar heute dezente Grenzpfosten stehen, ansonsten aber keinerlei Symbol der Trennung zu sehen ist. „Der Park ist ein fließendes Gefüge von aufeinander abgestimmten Raumkompositionen und visuellen Beziehungen“, so Geisler. „Als er angelegt wurde, haben Grenzen hier keine Rolle gespielt. Und das sollen sie auch heute nicht.“
Kein Wunder also, dass ausgerechnet dieser Park der Ort ist, an dem Christoph Schneider-Laris besonders gerne zu Veranstaltungen einlädt. Gemeinsam mit seiner polnischen Frau Barbara Laris und weiteren Ehrenamtlichen hat der Deutsche den Verein MusKnica gegründet. „Unser Ziel ist es, die Menschen auf beiden Seiten des Flusses mehr zusammen zu bringen.“ Und zwar durch regelmäßige Treffen. Egal ob Feriencamps für Kinder oder eine Lesung für Erwachsene, gerne lädt Schneider-Laris dafür in den Muskauer Park. Weil hier schon gelingt, was er sich im Großen erhofft: „Auf beiden Seiten der Grenze sagt keiner mehr: ‚Das ist unser Teil des Parks. Und das da drüben eurer.‘ Es gibt nur einen gemeinsamen Park und ein Besuch ist erst vollständig, wenn man auf beiden Seiten der Neiße war.“