Das Königreich der Radler
deutschland.de fragt nach, wie die Mobilität von morgen aussieht: Warum man in den Niederlanden Fahrrad fährt, ohne ständig Angst zu haben.
Ein Kind vorne, eines hinten, rechts und links prall gefüllte Einkaufstaschen – und das alles ohne Sturzhelm. Was meinen deutschen Freundinnen, wenn sie mich in den Niederlanden besuchen, als selbstmörderisches Unterfangen erscheint, ist für Holländerinnen die normalste Sache der Welt. Sie sind wahre Gleichgewichtskünstlerinnen auf dem Sattel – und beim Gedanken an einen Sturzhelm tippen sich viele verständnislos an die Stirn: „Echt niet!“, sagt auch Ina entrüstet. Dann könne ihr ja nicht mehr der Wind durch die Haare wehen – und das ist beim fietsen (Radeln) ein Muss. Zumindest hinter den Deichen.
Bei Unfällen hat grundsätzlich das Auto die Schuld
Aber in den Niederlanden werden Radfahrer auch regelrecht in Watte gepackt. Es gibt nicht nur ein spezielles Gesetz, das sie im Verkehr schützt: Bei Unfällen mit Radlern ist grundsätzlich der Autofahrer schuld. Sie haben obendrein ihren eigenen Kreisverkehr, eigene Ampeln, Tunnel, Brücken, immer mehr Schnellstrassen – und seit August 2019 in Utrecht auch das grösste Fahrradparkhaus der Welt. Kein Wunder also, dass das Rad für die Niederländer unerlässlicher Bestandteil des Lebens ist.
Die Zahl der Bürger, die das Auto stehen lassen und zur Arbeit radeln, liegt zwischen 40 und 45 Prozent. Mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen versuchen Staat und Kommunen, sie weiter zu erhöhen. So entstehen in den Innenstädten immer mehr Radzonen, in denen Autofahrer im Prinzip unerwüscht sind. Ganz zu schweigen von finanziellen Anreizen: Viele Unternehmen bezuschussen ihre Arbeitnehmer, wenn die sich für den Weg zur Arbeit ein fiets anschaffen; die restlichen Kosten können von der Steuer abgesetzt werden. Wie die Autofahrer bekommen auch die fietsers für jeden Kilometer zur Arbeit vom Arbeitgeber 19 Cent erstattet.
17 Millionen Niederländer besitzen 22,1 Millionen Fahrräder
Nirgendwo sonst auf der Welt ist die Fahrraddichte so hoch wie im Königreich der Radler: Die rund 17 Millionen Niederländer besitzen pro Kopf durchschnittlich 1,3 Räder. Aber Vorsicht: Das Tempo auf den Radwegen hat zugenommen, voller geworden ist es auch. Insbesondere in Amsterdam begehen Touristen gerne den Fehler, die Stadt auf einem Leihrad entdecken zu wollen.
Dabei sind die Amsterdamer fietsers berüchtigt: Sie kommen grundsätzlich von allen Seiten und immer mit einem Affenzahn – nicht ungefährlich für ungeübte Touristen. Mit Besuchern aus Deutschland streife ich deshalb grundsätzlich zu Fuß durch Amsterdam. Was aufregend genug ist – kann man sich manchmal doch nur durch einen Sprung vor einem fietser in Sicherheit bringen.
Was wir lernen?
Das Auto muss nicht immer Vorfahrt haben. Fahrräder brauchen ihren eigenen Platz auf den Straßen, dann steigen auch viele Städter aufs umweltfreundliche Rad.
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