Neustart in Tunesien
Ein deutsch-tunesisches Beratungszentrum in Tunis soll Rückkehrer aus Europa integrieren und die Jobaussichten für junge Tunesier verbessern.
Zied Ouled Ali kam nach dem Abitur nach Deutschland, er hat in Karlsruhe Ingenieurswissenschaften studiert. Nach zehn Jahren zog es ihn zurück nach Tunesien. „Ich wollte immer Unternehmer sein und hier hat man bessere Chancen, vor allem nach der Revolution.“ Der junge Mann in Anzug und Krawatte ist das Musterbeispiel eines erfolgreichen Rückkehrers: Er spricht vier Sprachen, ist gut ausgebildet und ehrgeizig. Mit Unterstützung eines Programms der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hat er in Tunis ein Startup im IT-Bereich gegründet. „Der Gründungszuschuss hat die Entscheidung einfacher gemacht.“ In Deutschland könnte er mehr verdienen als hier, doch sein Herz hängt an der Firma. Drei Mitarbeiter hat er schon, vier weitere will er bis Ende 2017 einstellen. Gerade verhandelt er zudem mit einem ausländischen Investor.
Eine andere Mentalität
Im neuen deutsch-tunesischen Migrationsberatungszentrum berichtet Ouled Ali von seinen ersten Gehversuchen als Unternehmer, von Startschwierigkeiten und Unterschieden in der Mentalität der beiden Länder. Das „Zentrum für Jobs, Migration und Reintegration“, wie es vollständig heißt, ist in den Räumen des tunesischen Arbeitsamts untergebracht – ein Ladenlokal mitten im Zentrum von Tunis. Zahlreiche Broschüren liegen aus, die auch über den deutschen Arbeitsmarkt informieren. Denn das Zentrum soll sowohl über die Risiken illegaler Migration als auch über legale Wege nach Deutschland aufklären, so Leiterin Oula Tarssim. Man habe zwei Zielgruppen: erstens junge Tunesier, die in ihrer Heimat keine Perspektive sehen und daran denken, das Land zu verlassen. Ihnen soll das Zentrum zum Beispiel Ausbildungsmöglichkeiten in Tunesien aufzeigen. Zweitens soll es Rückkehrern Möglichkeiten zum Neustart bieten.
Schätzungsweise 450 Tunesier ohne Aufenthaltsrecht leben derzeit in Deutschland, rund 1.000 weitere sind geduldet, aber nicht als Flüchtlinge anerkannt. Früher oder später werden sie in ihre Heimat zurückkehren. „Wir müssen sie in Tunesien reintegrieren, damit sie nicht als Loser zurückkommen“, so Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, bei der Eröffnung des Zentrums im März 2017. Dafür wurde das Rückkehrerprogramm des Ministeriums um rund 13 Millionen Euro aufgestockt. Finanzielle Unterstützung und die Aussicht auf Beratung in Tunesien sollen die Betroffenen ermutigen, freiwillig in ihre Heimat zurückzukehren.
Hohe Arbeitslosigkeit
Sie auf dem tunesischen Arbeitsmarkt unterzubringen, dürfte jedoch schwierig werden. Die meisten sind keine hochqualifizierten Akademiker wie Zied Ouled Ali. Und an Arbeitsplätzen mangelt es in Tunesien schon lange: Offiziell liegt die Arbeitslosenquote bei 15,5 Prozent, tatsächlich wohl höher. Viele Hochschulabsolventen finden keinen Job. Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum 2017 liegen bei optimistischen 2,5 Prozent – was schon deutlich mehr wäre als in der jüngeren Vergangenheit.
Dennoch sei es wichtig, auch in Deutschland das Bild Tunesiens zurechtzurücken, so Entwicklungsminister Müller. „Das Land ist im Aufschwung. Es ist stabil und hat demokratische Strukturen.“ Damit auch Rückkehrer von diesem, bislang nur leichten Aufschwung profitieren, sei der Erfahrungsaustausch zwischen neuen Rückkehrern und „alten“ wie ihm wichtig, sagt Ouled Ali. Die Erfahrung mit der Selbstständigkeit habe ihn darin bestärkt, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt. „Man muss nur ein bisschen suchen.“