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Eine Generation im Aufbruch

Bildungsforscher Klaus Hurrelmann begleitet seit mehr als zehn Jahren die Shell-Jugendstudien über die junge Generation in Deutschland. Ein Kurzinterview über die neue Studie von 2015.

Helen Sibum, 04.11.2015
© Shell Jugendstudie 2015 - Survey

Herr Professor Hurrelmann, Sie sehen eine „Generation im Aufbruch“. Inwiefern?
Zum ersten Mal seit der Studie von 2002 schätzen die Jugendlichen die Zukunft der Gesellschaft positiv ein. Bis vor kurzem herrschte noch der Krisenmodus – auch wenn man glaubte, persönlich werde man es schon irgendwie schaffen. Das führte zu einem starken Selbstbezug und einer taktierenden, opportunistischen Haltung. Die löst sich nun auf. Man glaubt wieder, man könne an den Lebensbedingungen etwas ändern.

Gilt das für alle Jugendlichen?
Nein. Das ist abhängig von der sozialen Herkunft und den damit immer noch verbundenen Bildungschancen und Perspektiven. Wenn ich zu den sozial Deklassierten gehöre, habe ich heute viel größere Schwierigkeiten, als das vor 20 Jahren der Fall war. Ohne Ausbildung bin ich fast schon ein gesellschaftlicher Verlierer. Hier haben sich die Verhältnisse zugespitzt, und die jungen Leute wissen das.

Vorhergehende Studien haben gezeigt, dass Werte wie Familie und Sicherheit den Jugendlichen sehr wichtig waren. Ist das immer noch so?
Ja. So ganz trauen die jungen Menschen der positiven Entwicklung noch nicht. Der Blick in andere europäische Länder verstärkt dieses Gefühl. Deshalb spielt die Familie als sicherer Heimathafen weiter eine große Rolle. Die Eltern sind die wichtigsten Orientierungspersonen – indem man sich an ihnen ausrichtet, macht man sich krisenfest.

Wird die Jugend in ihrer Aufbruchsstimmung auch wieder politischer?
Da zeichnet sich tatsächlich eine Wende ab. Allerdings fremdeln die jungen Leute nach wie vor mit den Strukturen der repräsentativen Demokratie. Nur eine kleine Gruppe kann sich vorstellen, ihr politisches Interesse in einer Partei auszuleben. Die gesamte demokratisch verfasste Struktur ist der Jugend nicht richtig zugänglich. Das ist ein Problem. Auf lange Sicht darf uns diese Generation für die politische Gestaltung nicht verloren gehen.

Dies ist die erste Generation, die von Anfang an mit dem Internet aufgewachsen ist. Wie wirkt sich das aus?
Die jungen Menschen sind es gewohnt, sich blitzschnell zu informieren und Reaktionen von sich zu geben. Sie kennen alle Themen, können sich mit Entwicklungen weltweit auseinandersetzen. Sie sehen dabei auch, dass sich die Rolle Deutschlands verändert hat und nehmen dies würdigend zur Kenntnis. Die meisten sind sich der schwierigen Geschichte bewusst, sagen aber auch, dass sie stolz sind, Deutsche zu sein. Hier entsteht ein neues, nüchternes Selbstbewusstsein, gepaart mit großer Offenheit und Toleranz.

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