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„Fahrt nach Polen!“

Kabarettist Steffen Möller teilt sein Leben zwischen Deutschland und Polen. So erlebt er die Beziehung beider Länder – und den Einfluss des Wetters darauf.

05.07.2018
Kabarettist Steffen Möller
Kabarettist Steffen Möller © P. Felbert

Der deutsche Kabarettist Steffen Möller lebt seit fast 25 Jahren auch in Polen. Im Interview mit deutschland.de erzählt er, wie es aus seiner Sicht um das deutsch-polnische Verhältnis steht – und welchen Einfluss das Wetter darauf hat.

Herr Möller, die deutsch-polnischen Beziehungen waren schon besser. Es gibt etliche Differenzen, etwa in der Flüchtlingsfrage und der EU-Politik insgesamt. Macht Ihnen die Entwicklung Sorgen?
Ja und nein. Ich glaube, dass die politischen Spannungen nur vorübergehend sind und dass sich am Ende die Basis durchsetzen wird. An der Basis gibt es 400.000 deutsch-polnische Ehen und Partnerschaften und eine außerordentlich große Gruppe von deutsch-polnischen Kindern, die beide Sprachen perfekt beherrschen. Ich schreibe gerade ein Buch über diese Nische der Gesellschaft und habe in den letzten Monaten viele Interviews mit solchen Paaren geführt. Aus dieser Erfahrung kann ich sagen: Es ist alles auf dem besten Weg, wir nähern uns einer deutsch-polnischen Kernschmelze. Da können sich die Politiker noch so in den Haaren liegen: In 100, 200 Jahren sind wir die besten Freunde.

Die politischen Spannungen haben also keine Auswirkungen auf den Alltag?
Doch, es gibt viele Irritationen. Manchmal werden Deutsche in Polen unangenehm behandelt, weil sie zum Beispiel in der Straßenbahn Deutsch sprechen. Das kommt dann und wann vor, vielleicht einmal im Monat. Es gibt aber auch viele Polen, die in Deutschland unangenehm behandelt werden – und das schon immer. Ich warne davor, sich nun eine billige Ausrede dafür zu suchen, nicht nach Polen zu fahren. Gerade Leuten, die noch nie in Polen waren – und das sind 70 Prozent der Deutschen – ist jedes Alibi recht. Deswegen sage ich: Okay, die Politik zurzeit ist nicht so toll, aber fahrt trotzdem hin.

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Was muss passieren, damit Deutschland und Polen auch politisch wieder näher zusammenrücken?
Ich sehe die Dinge ein bisschen anders, ich bin ja kein Politiker. Ich mache seit 16 Jahren deutsch-polnisches Kabarett und auch in Phasen, in denen es politisch wunderbar lief, gab es auf beiden Seiten viele Vorurteile und Klischees. Ich arbeite sozusagen auf eine längerfristige Verbesserung des deutsch-polnischen Verhältnisses hin. Die Polen wissen übrigens ein bisschen mehr über Deutschland als wir über Polen.

Als Kabarettist habe ich das Privileg, dass ich Witze über die andere Seite erzählen darf.
Kabarettist Steffen Möller

Woran liegt das?
Vor allem daran, dass 30 Prozent der polnischen Schüler Deutsch lernen. Polen ist das Land mit den meisten Deutschlernern weltweit – 2,2 Millionen Schüler waren es 2017. In Deutschland lernen mit Ach und Krach etwa 10.000 Schüler Polnisch. Da besteht also eine riesige Asymmetrie. Was sich aber wirklich ändern müsste, damit Deutsche und Polen sich richtig heftig besuchen: Das Wetter müsste besser sein. Der wahre Grund, warum sich Deutsche und Polen weitgehend ignorieren, ist nicht die Geschichte, nicht die Sprache und nicht die Politik, es ist das Wetter. Ein Pole hat einfach keine Lust, in Deutschland Urlaub zu machen, weil dort das gleiche Wetter herrscht. Und bei den Deutschen ist es genauso. Und noch ein zweiter Faktor erschwert uns die Neugier: Wir sind Nachbarn. Ein anständiger Urlaub fängt aber heute erst ab 5.000 Kilometern Entfernung an. Ich habe manchmal das Gefühl, ich könnte für Polen leichter in Brasilien oder Japan Reklame machen.

Können Sie als Kabarettist etwas leisten, was die Diplomatie nicht vermag?
Ich habe das Privileg, dass ich Witze über die andere Seite erzählen darf, und die andere Seite muss auch noch darüber lachen. Witze über Polen machen? Das würde ich einem deutschen Politiker so nicht empfehlen, das gäbe Ärger. Als Kabarettist bewege ich mich in einem anderen Medium.

Das Beste, was man tun kann, wenn man in ein fremdes Land fährt, ist, die Sprache zu lernen. Das bringt die meisten Pluspunkte. Soweit ich weiß, gibt es im Augenblick aber keinen deutschen Spitzenpolitiker, der Polnisch kann. Nur Mats Hummels kann auf Polnisch bis zehn zählen, hat er mir selbst mal vorgemacht.

Städtepartnerschaften sind Gold wert.
Kabarettist Steffen Möller

Sie werden oft von Städtepartnerschaftsvereinen eingeladen. Wie schätzen Sie deren Bedeutung ein?
Früher dachte ich, diese ganzen Städtepartnerschaften sind obsolet. Das gilt vielleicht ein bisschen für das deutsch-französische Verhältnis, da läuft es ja im Augenblick gut. Im Hinblick auf Polen kann ich nur sagen: Die Städtepartnerschaften sind Gold wert, weil sie so viele Leute auf lokaler Ebene miteinander in Kontakt bringen. Es gibt ganz tolle Städtepartnerschaften: Da besuchen sich die Schulen, die Chöre, die Orchester, die Blaskapellen. Hunderte Leute sind jedes Jahr im Austausch.

Sie pendeln zwischen Deutschland und Polen. Was ist für Sie Heimat?
Ja, was ist Heimat? Vielleicht der Ort, wo die Leute ähnlich sind wie man selbst. Dann ist Heimat für mich der Eurocity zwischen Berlin und Warschau. Mit diesem Zug fahre ich mehrmals im Monat hin und her. Da sitzen viele Leute, die so sind wie ich, Pendler zwischen den Welten. Die können beide Sprachen und kennen ebenfalls schon alle Witze über polnische Diebe und deutsche Nazis. Da fühle ich mich gut aufgehoben, und wenn alles gut läuft, höre ich gelegentlich sogar mal einen neuen Witz.

Interview: Kathrin Noll

„Heimat ist für mich der Eurocity“
„Heimat ist für mich der Eurocity“ © Steffen Möller