Was glaubst du?
Christ, Muslim, Jude – oder Atheist? Das steht in Deutschland jedem frei. Wir haben mit jungen Menschen über ihre Religion gesprochen.
„Der Staat muss garantieren, dass alle ihre Religion frei ausüben können“
Dalia Grinfeld, 23, studierte Politikwissenschaften und jüdische Studien und ist Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands (JSUD)
„Die jüdische Religion und Traditionen ziehen sich wie ein Leitfaden durch mein Leben. Sie geben mir die Möglichkeit, ethische und moralische Fragen anders wahrzunehmen und zu beurteilen. Auch die jüdische Debattenkultur hat mich sehr geprägt. Der Staat muss garantieren, dass alle Menschen ihre Religion frei ausüben können. Das klappt meines Erachtens ganz gut. Ich habe aber Freunde, die Medizin studieren und seit eineinhalb Jahren auf einen Examenstermin warten, weil die Termine auf jüdische Feiertage fallen. Da ist der Staat in der Pflicht, Alternativen zu bieten.“
„Offen zeigen, wofür wir stehen“
Jana Highholder, 20, studiert Medizin an der Universität Münster und ist Youtube-Botschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland
„Jede Beziehung lebt davon, dass man dem anderen erzählt, was man auf dem Herzen hat. Das gilt auch für meine Beziehung zu Gott. Dieses Gespräch mit Gott begleitet mein Leben schon immer. Ich bin Teil der jungen Generation, die selbstverständlich in den sozialen Netzwerken unterwegs ist. Auch dort habe ich nie verleugnet, an was ich glaube und wofür ich stehe. Ich möchte andere junge Christen ermutigen, die Komfortzone zu verlassen und offen zu zeigen, wofür wir stehen. Die Bibel predigt Liebe und Gemeinschaft. Das muss sich auch im Handeln eines Christen zeigen.“
„Wenn man keinen Dialog führt, ist man schon gescheitert“
Mulla Cetin, 23, studiert Rechtswissenschaften an der Universität Potsdam und ist im Bundesgremium der Jungen Islam Konferenz
„Muslim zu sein ist für mich Teil meiner Identität und eine Lebenseinstellung. Mein Glaube lehrt mich, auch die selbstverständlichen Dinge im Leben wertzuschätzen, demütig zu sein und jedem Menschen mit Respekt zu begegnen. Aber Muslime werden oft nur in negativen Kontexten thematisiert, etwa in Talkshows. Man spricht über gescheiterte Existenzen, jedoch nicht darüber, wie Muslime das Leben in Deutschland und Europa bereichern. Ich sehe mein Engagement gegen Hass und Vorurteile daher als bürgerliche und moralische Pflicht. Ein ehrlicher Diskurs über Religion ist existentiell für ein friedliches Zusammenleben. Man kann zwar scheitern, wenn man einen Dialog führt. Aber wenn man keinen Dialog führt, ist man schon gescheitert.“
„Ich vermisse nichts“
Thomas Zeiske, 30, hat Wirtschaftsinformatik studiert und arbeitet als IT-Projektmanager in Berlin
„Ich komme aus einer Familie, in der Religion schon seit Generationen keine Rolle mehr spielt. Ich bin nicht getauft, kein Mitglied in einer Kirche und war nur einmal in einem Gottesdienst. Ich bin ein faktenorientierter Mensch und nehme die Welt aus naturwissenschaftlicher Perspektive wahr. Ich unterhalte mich aber gerne mit Freunden darüber, warum für sie Religion wichtig ist. Ich denke, dass jeder in Deutschland ganz gut nach seiner Facon leben kann.“