Frauen wählen anders
Seit 100 Jahren haben Frauen in Deutschland das Wahlrecht. Warum sie zeitweise trotzdem seltener zur Wahl gingen als Männer und welche Parteien sie bevorzugen.
Stimmen Frauen anders ab als Männer?
Bei der Bundestagswahl 2017 zeigten sich klare Unterschiede zwischen Männern und Frauen: Die CDU gewann bei Frauen einen um 6,3 Prozentpunkte höheren Stimmanteil als bei Männern. „Damit ist sie seit den 1950er-Jahren fast durchgehend eine von Frauen bevorzugte Partei“, sagt Bundeswahlleiter Georg Thiel.
Gibt es noch weitere Unterschiede?
Auch die Grünen verzeichneten bei Frauen mit 10,2 Prozent einen deutlich höheren Stimmenanteil als bei Männern mit 7,6 Prozent. Bei der SPD gab es keine größeren Abweichungen zwischen den Geschlechtern. Generell bevorzugen Frauen eher Parteien aus der Mitte des politischen Spektrums.
Heißt das, Männer dominieren die politischen Ränder?
Das trifft auf jeden Fall auf die AfD zu. Bei der Bundestagswahl 2017 kam die rechtspopulistische Partei auf 16,3 Prozent Stimmenanteil bei Männern und 9,2 Prozent bei Frauen. Auch bei der Bundestagswahl 2013 wählten mehr Männer die AfD. Die Linke findet ebenfalls regelmäßig größeren Rückhalt bei Männern, auch wenn die Differenz geringer ist als bei der AfD.
Gibt es Gründe für das andere Wahlverhalten?
Dass die CDU bei Frauen so gut abschneidet, erklären Wissenschaftler heute mit der Person von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Für die alte Bundesrepublik der 1950er- und 1960er-Jahre schreibt man den Unterschied dem traditionellen Familienbild und der Nähe der CDU zu den christlichen Kirchen zu – beides spielte für Frauen damals eine wichtige Rolle. Für die Zeit vor 1970 sprechen Wahlforscher deshalb vom „traditionellen Gender Gap“.
Warum wählen Frauen gemäßigter?
Darüber existieren diverse Theorien: Weil sie sich mehr für soziale Themen interessieren, lautet eine. Weil sie Kompromisse bevorzugen und aggressive Rhetorik nicht mögen, lautet eine andere.
Wie intensiv nutzen Frauen ihr vor 100 Jahren errungenes Wahlrecht heute?
Frauen durften zum ersten Mal an der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung im Januar 1919 teilnehmen – und machten rege von ihrem Wahlrecht Gebrauch: zu mehr als 82 Prozent, fast genauso häufig wie die Männer. Auch heute unterscheidet sich die Wahlbeteiligung zwischen den Geschlechtern kaum, liegt allerdings mit rund 76 Prozent insgesamt niedriger als damals. Doch in den Jahrzehnten dazwischen gingen Frauen deutlich seltener wählen als Männer. Bei der Bundestagwahl 1965 zum Beispiel betrug der Unterschied zwischen den Geschlechtern fast drei Prozentpunkte.