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Wie wählt Deutschland?

Hier erfährst du, wie Menschen ihre Entscheidungen treffen. Ein Interview mit Meinungsforscher Stefan Merz.

Klaus Lüber, 17.09.2021
Stefan Merz, Direktor Wahlen bei infratest dimap
Stefan Merz, Direktor Wahlen bei infratest dimap © David Ausserhofer/infratest dimap

Herr Merz, selten war es so spannend vor einer Bundestagswahl – sagen die Umfragen. Wie verlässlich sind solche Ergebnisse?
Viele Online-Umfragen, wie sie etwa Nachrichtenportale durchführen, sind in der Regel nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung. Anders dagegen die Umfragen, die die großen Rundfunkanstalten und Fernsehsender beauftragen: Diese werden nach den wissenschaftlichen Regeln der empirischen Sozialforschung umgesetzt, daher können ihre Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung übertragen werden.

Aber auch das sind nur Momentaufnahmen, oder?
Ja. Es geht vor allem darum, den Entscheidungsfindungsprozess der Wahlbevölkerung zu begleiten. Wir messen den jeweils aktuellen Stand der politischen Stimmung und machen keine Vorhersagen. Dass sich diese Stimmung im Laufe des weiteren Wahlkampfes noch verändern kann, liegt in der Natur der Sache. Deswegen finden Wahlkämpfe ja auch statt.

Wie entstehen solche Umfragen?
Es gibt viele Möglichkeiten: postalisch, über Hausbesuche, per Telefon, online. Wichtig ist, dass die konkrete Teilnehmerauswahl zufällig erfolgt und alle Wahlberechtigten zumindest die theoretische Chance haben, dabei zu sein. Wenn dagegen, wie das bei Online-Erhebungen häufig der Fall ist, Wählerinnen und Wähler sich selbst und aus eigenem Interesse anmelden können, dann ist das nicht mehr neutral und verallgemeinerbar. Dann hilft es auch nicht, wenn besonders viele Befragte mitgemacht haben.

Viele Menschen haben eine mehr oder weniger intensiv ausgeprägte Bindung an eine bestimmte Partei.
Stefan Merz, infratest dimap

Welche Faktoren führen zu Wahlentscheidungen?
Im Wesentlichen sind das drei: Was hält ein Wähler von den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten? Welche inhaltlichen Themen sind dem Wähler besonders wichtig und welcher Partei beziehungsweise Person traut er auf diesen Feldern besonders viel zu? Und schließlich haben viele Menschen auch eine mehr oder weniger intensiv ausgeprägte Bindung an eine bestimmte Partei. Diese entsteht oft schon in jungen Jahren, wird durch das soziale Umfeld gestärkt und prägt ihrerseits die Wahrnehmung von Personen und Sachfragen.

Sobald am Wahlabend um 18 Uhr die Wahllokale schließen, gibt es die ersten Prognosen. Wie geht das so schnell?
Für die 18-Uhr-Prognose befragen wir Wählerinnen und Wähler unmittelbar nach ihrer Stimmabgabe. Die dafür ausgewählten Wahllokale ergeben in der Summe ein Miniaturbild des jeweiligen Wahlgebietes – mit städtischen und ländlichen Wahlbezirken, hoher und niedriger Wahlbeteiligung, guten und schlechten Ergebnissen der Parteien. Nach 18 Uhr warten unsere Mitarbeiter auf die Auszählung in den Wahllokalen und melden uns die tatsächlichen Ergebnisse. Diese Ergebnisse aus einzelnen Wahlbezirken rechnen wir dann hoch auf das gesamte Wahlgebiet.

 


Dr. Stefan Merz ist Direktor Wahlen beim Meinungsforschungsinstitut infratest dimap.

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