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Kunst für die Menschenrechte

Der israelische Künstler Dani Karavan hat mit seinen Installationen die deutsche Erinnerungskultur entscheidend mitgeprägt.

14.03.2013
picture-alliance/dpa - Dani Karavan
picture-alliance/dpa - Dani Karavan © picture-alliance/dpa - Dani Karavan

Dani Karavans Eltern waren mit 18, gleich nach dem Ersten Weltkrieg, aus Osteuropa ins damalige Palästina gekommen. Als hier weit und breit nur Kühe und Sand waren, ließ sich sein Vater an diesem Ort nieder. Inzwischen ist daraus das Herz von Tel Aviv geworden und sein Sohn ein international gefeierter Künstler. Heute steht ein modernes Wohnhaus mit großzügigen Fenstern an jener Stelle, wo einst das erste Familienheim stand. Hier lebt und arbeitet Dani Karavan, – sofern er nicht unterwegs ist.

Das Reisen ist unabdinglich. Seine Werke entstünden nicht im Atelier, erklärt er, sondern „beginnen immer von einer Idee und dem Ort ausgehend“. Längst hat Karavan sich einen Namen als Bildhauer und Landschaftsgestalter gemacht. Er gehört zu den ersten Environment-Künstlern des 20. Jahrhunderts; manche sagen, er war sogar der erste. Demnach seien alles Skulpturen: die Stühle, der Boden, die Pflanzen. Rückblickend lasse sich das durchaus als politische Haltung interpretieren, sagt er. Denn es bedeute ja, dass alles für alle offen und zugänglich sei, die Sonne, das Wasser, die Erde. Damit tritt Karavan in die Fußstapfen seines Vaters, der die ersten Parks in Tel Aviv gestaltet hat. „Ich habe nie gedacht, dass ich einmal seinen Weg gehen würde, aber heute bin ich da ziemlich nah dran,“ sagt der Israeli, Jahrgang 1930. Er sitzt im Jeanshemd an seiner Arbeitsplatte und erzählt, dass er sich früher auch nie hätte vorstellen können, Denkmäler ausgerechnet in Deutschland zu schaffen. Tatsächlich aber hat er die Erinnungskultur der Bundesrepublik entscheidend mitgeprägt: Zu seinen Werken zählen die Straße der Menschenrechte in Nürnberg und vor dem Bundestag in Berlin erinnern seine Tafeln an das Grundgesetzt von 1949. Zuletzt wurde im Herbst 2012 sein Denkmal für die im Dritten Reich ermordeten Sinti und Roma in Berlin der Öffentlichkeit übergeben.

Dabei wollte Karavan lange nichts mit dem Land zu tun haben, das für die Auslöschung seiner ganzen Familie väterlicherseits verantwortlich ist. Zuhause sei über den Holocaust nur sehr wenig geredet worden. In den 1960er-Jahren drohte er sich im Hafen von Haifa zu ertränken, falls das israelische Passagierschiff Shalom mitsamt der von ihm eigens entworfenden Wandgestaltung an Deutschland weiterverkauft würde. Karavans Arbeiten wurden vor dem Verkauf dann mühsam entfernt. Er sei ein kämpferischer Kibbutznik gewesen, sagt Karavan heute. Die Jahre, die er im Kibbutz Harel verbrachte, prägten ihn aber in noch anderer Hinsicht. Gleich nebenan befand sich ein zerstörtes, arabisches Dorf, das „wie eine riesige Skulptur“ aussah. Geformt von den „Überbleibseln der Lehmhäuser, wie sie in uralter jüdischer Tradition über Jahrtausende hinweg gebaut worden waren und so schließlich auch von der arabischen Bevölkerung“. Diese Landschaft hat ihn beeinflusst, seine ersten politischen Zeichnungen hießen damals: „Tewa domem natusch“ – stille verlassene Natur. Sie erinnern an die palästinensische Tragödie, die mit der israelischen Unabhängigkeit 1948 verbunden war.

Die Rechte des anderen, Menschenrechte als universaler Anspruch, haben ihn immer schon beschäftigt. Erst als Kind bei der sozialistischen Jugendbewegung Hashomer HaZair, dann auch durch seine jüdischen Lehrer aus Deutschland. Nicht immer kamen seine politischen Botschaften in der Kunst gut an. Eins seiner umstrittenen Werke ist viel in Israel und im Ausland gezeigt worden: Ein umgedrehter Olivenbaum aufgehängt vor einem Bild der umstrittenen Jerusalemer Siedlung Har Homa.

Zu diesem Zeitpunkt aber hatte Karavan längst auch den Weg nach Deutschland gefunden. Eine Einladung zur großen Kunstschau Documenta nach Kassel 1977 wollte er nicht ablehnen, weil das internationale Anerkennung bedeutete. Karavan gibt zu, das der Schritt zunächst nicht einfach gewesen sei, aber die Begegnungen mit den „vielen jungen Leuten“ ermutigten ihn. Das Eis war gebrochen. Danach habe er kaum mehr gezögert, in Deutschland zu arbeiten. Naja, vielleicht doch, in Nürnberg, als die Anfrage an ihn gerichtet wurde, dort an der Außengestaltung des Germanischen Nationalmuseums mitzuwirken. 1988 entstand die Idee und es dauerte fünf Jahre bis zur Fertigstellung der Installation. Es seien keine einfachen Verhandlungen gewesen, erzählt er, vor allem was die Anordnung der Sprachen in der „Straße der Menschenrechte“ anging. Auf 30 Säulen sollten die universellen Menschenrechte „aufgestellt“ werden, in Sprachen, die die Nazis einst auslöschen wollten, und in den Sprachen jener Länder, die gegen sie gekämpft haben. Später hatte Karavan die Idee, den unheilvollen Ruf der Stadt der Nürnberger Gesetze „in ihr Gegenteil zu verkehren“ und dort einen Preis der Menschenrechte auszuschreiben. Der Preis wurde erstmals am 17. September 1995 vergeben, fast auf den Tag genau 60 Jahre nach der Verabschiedung der nationalsozialistischen Rassengesetze. Bis heute gehört Karavan der Jury an.

Nach Nürnberg folgte Berlin. „Grundgesetz 49“ besteht aus transparenten Tafeln, die an die 19 in der deutschen Verfassung verankerten Menschenrechte erinnern. Ob er manchmal dorthin fahre, um zu schauen, wie seine Kunst auf die Menschen wirke? Nein, das sei schon nicht mehr sein Bereich. Wenn es um das Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma geht, das nahe dem Reichtagsgebäude steht, ändert sich sein Tonfall. Die Erinnerung an jahrlangen Streit mit der Berliner Stadtverwaltung ist noch frisch. Es war das erste Mal, dass er mit einem Anwalt gearbeitet hat. Erst als die Verantwortlichen „von der Mannschaft des Bundestags“ abgelöst wurden, sei alles glatt vorangegangen. Den Sinti und Roma gebühre ein „anständiges und ehrenhaftes Denkmal“ , sagt er. Ihre Opfer sollen geachtet werden wie die anderen Opfer des Holocaust auch. „Ich wollte nur eine einzige Blume und die sollte von tiefem Wasser, dunkel wie ein Loch, geschützt werden – mit einem Dreieck in der Mitte, das jeden Tag um ein Uhr nach unten geht und mit einer frischen Blume nach oben auftaucht. Das ist ihr Grabmal. Sie haben keine Gräber, nur Blumen, die über ihren Toten wachsen.“ Eine Geige spielt dazu immer nur einen Ton.

Zur Eröffnungsfeier kam die deutsche Kanzlerin, die Karavan seither ins Herz geschlossen und die er gerade erst wieder in Berlin getroffen hat. Diesmal ging es dem Künstler wieder um sein eigenes Land und dessen Zukunftsaussichten. Er wollte Angela Merkel mitteilen, dass es in Israel viele Unterstützer für ihre Vision von einer Zwei-Staaten-Lösung gebe. ▪

Gisela Dachs