Einsatz für Frieden
Mehr als 30 islamische Geistliche bereisten Orte in Europa, an denen Menschen Opfer terroristischer Anschläge geworden sind.
Es war weniger ein Marsch, als eine transeuropäische Busfahrt, auf die sich mehr als 30 Imame Anfang Juli 2017 quer durch Europa begeben hatten. Beim „Marsch der Muslime gegen den Terrorismus“ bereisen sie Orte islamistischen Terrors und wehren sich gegen eine Instrumentalisierung ihrer Religion. Die Reise endete am 14. Juli 2017 in Paris.
Die Imame beteten zu Beginn der Reise auf dem Breitscheidplatz in Berlin – dort, wo in der Adventszeit 2016 ein islamistischer Attentäter einen Lastwagen in einen Weihnachtsmarkt steuerte. Unterstützt wurden sie unter anderem vom Leiter der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Bischof Markus Dröge, und dem Berliner Rabbiner Andreas Nachama. Gemeinsam will die internationale Gruppe islamischer Geistlicher ein anderes Bild des Islam zeichnen und die Religion „aus der Geiselhaft des Islamischen Staates“ befreien.
Nach Stationen in Belgien und Nordfrankreich stimmte die Gruppe pünktlich zum französischen Nationalfeiertag am 14. Juli 2017 in Paris die französische Nationalhymne, die Marseillaise, mit an. Zuvor hatten sie vor dem jüdischen Supermarkt gebetet, der im Januar 2015 zum Tatort eines islamistischen Anschlags und einer Geiselnahme geworden war. Auch der Konzertsaal „Bataclan“ stand auf dem Reiseplan. Hier wurden im November 2015 90 Menschen von Terroristen erschossen. Auf den Straßen begegneten die Imame einigen hundert aufgeschlossenen Bürgern. Im Vorfeld hatte man sich eine regere Beteiligung der Bürger und muslimischer Gemeinden erhofft.
Die Imame kommen aus verschiedenen Ländern Europas, aber auch aus Mauritius, Madagaskar, Tunesien und von den Komoren. Auch einige Imame aus Berlin haben sich mit auf die Reise begeben. Initiatoren der Aktion sind der liberale französische Imam Hassen Chalghoumi aus dem Pariser Vorort Drancy und der jüdische Schriftsteller Marek Halter. deutschland.de hat mit einigen gesprochen.
Imam Mohamed Taha Sabri, Dar Assalam Moschee Berlin-Neukölln
„Ich halte es für absolut notwendig, an diesem Marsch teilzunehmen. Terroristen verüben Taten im Namen des Islam – und zerstören ihn damit in der Öffentlichkeit. Schweigen und Wegschauen lässt es zu, dass diese Grausamkeiten weitergehen. Wir müssen auf die Straße gehen, uns wehren und Gesicht zeigen. Mit dem ‚Marsch der Muslime‘ haben wir in kurzer Zeit schon viel bewegt. Hinterbliebene von Opfern waren dankbar, dass wir da sind und die Trauer mit ihnen teilen. In Toulouse haben wir den Vater eines Mädchens besucht, das an einer jüdischen Schule Opfer von islamistischem Terror geworden ist. Er hat uns die Arme geöffnet.
Solche Beispiele zeigen mir, dass der Terror noch nicht geschafft hat, was er wollte: Er konnte zwischen uns keine Gräben errichten. Sicher gibt es Minderheiten in meiner eigenen Glaubensgemeinschaft, die nicht wollen, dass wir Imame uns positionieren. Entweder aus Sorge, dass wir den Islam für den Terror verantwortlich machen, oder aber aus Skepsis vor der Zusammenarbeit mit anderen Religionen. Ich bekomme entsprechende Facebook-Nachrichten. Dann aber sehe ich die Menschen auf den Straßen, die uns ,Bravo‘ hinterherrufen und bin sicher, dass diese Veranstaltung richtig ist.“
Bischof Markus Dröge, geistlicher Leiter der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
„Keine Religion dieser Welt rechtfertigt es, andere Menschen zu töten, zu diskriminieren oder zu terrorisieren. Der Friedensmarsch der Muslime hat ein wichtiges Zeichen gesetzt – er hat die Botschaft in die Öffentlichkeit gebracht, dass der Weg der Religion ein friedlicher ist. Gewalt, Hass und Terror sind Verrat am Glauben und Verrat an Gott. Denn Gott ist ein Gott des Friedens. Gemeinsam stehen wir friedlich füreinander ein und bekennen öffentlich, dass die Liebe zu Gott nicht von der Liebe zum Nächsten zu trennen ist. Daher haben wir den Marsch in Berlin unterstützt und den Imamen den Reisesegen erteilt.“
Rabbiner Andreas Nachama, Synagoge Sukkat Schalom Berlin/House of One
„Die Gesellschaft erwartet ja immer, dass Muslime sich von terroristischer Gewalt distanzieren und sich mit den Opfern solidarisieren. Ich finde, es ist ein starkes Zeichen, wenn sich Imame aus vielen Gemeinden und Ländern gemeinsam am Breitscheidplatz, an dem so Trauriges und Schreckliches geschehen ist, gegen den Terror aussprechen. Der interreligiöse Dialog kann einen wichtigen Beitrag leisten für gegenseitigen Respekt und Zivilcourage. Der Gewalt, dem Hass und dem Terror ein europaweites Friedenszeichen entgegenzusetzen, in aller Offenheit und Öffentlichkeit, ist die richtige Antwort in unruhigen Zeiten.“
Hassen Chalghoumi, Imam der Moschee in Drancy und Initiator des Marschs
„Wir müssen die Botschaft aussenden, dass wir zusammenarbeiten wollen. Das Zusammenleben ist doch das Herz aller unserer Religionen. Wir sind eine monotheistische Familie und müssen den gemeinsamen Dialog und die Stabilität schützen. Leider gibt es auch jene, die solche interreligiöse Kooperation ablehnen. Sie haben noch nicht verstanden, dass Respekt füreinander unerlässlich für unsere Religionen ist.“
Marek Halter, jüdischer Künstler und Mitinitiator
„Die Gefahr eines Krieges zwischen den Religionen ist groß. Nachdem andere große Ideologien wie der Kommunismus vorbei sind, haben manche Menschen nur noch die Religion als Hoffnung. Wir müssen ihnen klarmachen, dass Gott eins ist. Es gibt nur einen Gott, für uns alle.“
Imam Kamel Omrane aus Tunis, Tunesien
„Mit diesem Marsch kämpfen wir gegen die Terroristen und für den Frieden, die Freundschaft und die Liebe. Ich glaube, dass letztlich jede Religion ihre eigenen Terroristen hat, genauso wie jedes politische System. Mit diesem Marsch zeigen wir in der Öffentlichkeit das wahre Gesicht des Islam gegen die Terroristen in unserer Religionsgemeinschaft.“