Die Aufdeckerin
Emilia Díaz-Struck aus Venezuela arbeitet mit anderen Journalisten weltweit an globalen Storys wie der über die Panama Papers. deutschland.de traf sie beim Global Media Forum in Bonn.
Es war der Anfang einer Recherche über Steueroasen und Geldwäsche, die bis heute nachwirkt: 2015 wurden der Süddeutschen Zeitung Dokumente zugespielt, die später als Panama Papers bekannt wurden. An der Berichterstattung arbeiteten Journalisten aus der ganzen Welt mit – Emilia Díaz-Struck aus Venezuela half, sie zu vernetzen.
Frau Díaz-Struck, Sie sind Lateinamerika-Koordinatorin des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). Was ist Ihre Aufgabe?
Ich stelle sicher, dass bei unseren globalen Projekten auch Journalisten aus Lateinamerika eingebunden sind und dass lateinamerikanische Aspekte der Geschichte abgedeckt werden. Außerdem vernetze ich Journalisten aus der Region mit Kollegen weltweit, falls es für eine Geschichte sinnvoll ist. Wenn zum Beispiel ein ecuadorianischer Journalist über chinesische Unternehmen in seinem Land recherchiert und sich herausstellt, dass diese Unternehmen Verbindungen in die Niederlande haben, stelle ich gerne einen Kontakt zu Journalisten dort her.
Wie viele lateinamerikanische Journalisten haben Sie schon vernetzt?
An der Berichterstattung über die Panama Papers beispielsweise haben weltweit mehr als 390 Journalisten gearbeitet, 90 davon aus Lateinamerika. Diese Geschichte hatte natürlich einen sehr starken lateinamerikanischen Bezug, weil der Hauptsitz der zentralen Offshore-Firma in Panama lag.
Es war die Süddeutsche Zeitung in München, die die Papiere zugespielt bekam und sie dann mit Journalisten weltweit teilte. Haben Sie direkt zusammengearbeitet?
Ja, die Süddeutsche Zeitung hat das ICIJ kontaktiert – so kam das Projekt ins Rollen. Ich bin beim ICIJ auch für Recherchen zuständig. Bei den Panama Papers ging es um Millionen Dokumente. Zu meinen Aufgaben gehörte es zu verstehen, wie wir sie durchdringen und zielgerichtet damit arbeiten können. Ich habe Trainings für die Journalisten in unserem Netzwerk gegeben, auch für die Kollegen in Deutschland.
Die Arbeit des ICIJ beruht auf der Idee des Teilens – Sie sprechen sogar von „radikalem Teilen”.
Ja, und das war schon vor dem Panama Papers so, aber auf diesem Niveau hatte ich es noch nicht erlebt. Alle teilten ihre Informationen und auch Tipps, wie man am besten mit den Dokumenten arbeitet. Nur so funktioniert es. Bei solchen globalen Kollaborationen braucht man Journalisten, die ihre Egos beiseitelassen und ihre Erkenntnisse weitergeben, denn nur so entsteht Vertrauen. Stellen Sie sich vor, Frederik Obermaier und Bastian Obermayer von der Süddeutschen Zeitung hätten all diese Dokumente geteilt und nichts zurückbekommen! Teilen ist der einzige Weg – das macht auch den Zauber solcher Projekte aus. Es ist egal, ob du Journalist in Lateinamerika oder Europa bist, ob du für ein großes Medienhaus arbeitest oder für ein kleines Start-up: Du kannst teilhaben – als Mitstreiter, als Kollege.
Sie haben beim Global Media Forum gesagt, dass globale Rechercheprojekte die Qualität des Journalismus steigern. Inwiefern?
Die Beteiligten sind alle großartige Journalisten, aber sie haben unterschiedliche Stärken. Da gibt es den hochtalentierten Datenjournalisten oder den Top-Reporter mit den besten Quellen. Sie alle lernen voneinander. Und niemand will Fehler machen, weil das nicht nur für die eigene Arbeit Folgen hätte, sondern für die von Journalisten weltweit. Es besteht ein sehr hohes Verantwortungsbewusstsein und jeder gibt sein Bestes.
Sie leben im Moment in Washington, D.C., kommen aber aus Venezuela. Wie ist die Situation des Journalismus dort?
Die schwierige politische Situation hat dazu geführt, dass tolle journalistische Start-ups entstanden sind. In den Jahren zuvor hatten viele Medienunternehmen den Besitzer gewechselt, und die neuen Eigentümer standen alle der Regierung nahe. Plötzlich lief auf manchem Radiosender nur noch Musik statt wie früher auch politische Berichterstattung. Zeitungen griffen auf einmal bestimmte Themen nicht mehr auf. Einige Verlage und Sender hatten bis dahin große Investigativ-Teams. Als die Reporter merkten, dass sie zensiert wurden, verließen viele die traditionellen Medien und gründeten eigene Start-ups.
Wie können Formate wie das Global Media Forum dazu beitragen, die aktuellen Herausforderungen für den Journalismus zu bewältigen?
Es ist einfach wichtig, die Aufmerksamkeit auf bestimmte Fragen zu lenken: Wie sorgen wir dafür, dass über diejenigen berichtet wird, die oft im Schatten stehen? Wie können wir die Standards im Journalismus weiter erhöhen? Natürlich hilft es auch, dass wir uns hier vernetzen können. Dies ist ein guter Ort, um sich zu treffen und einige der drängendsten Themen zu diskutieren.
Interview: Helen Sibum