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Allein in Asien 
rund 700 Projekte

Das Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amtes fördert die Bewahrung des kulturellen Erbes im Ausland und bringt Länder und Menschen zusammen.

18.04.2016

Das Kathmandu-Tal in Nepal ist kulturell eine der bedeutendsten Regionen der Welt. Kunstvoll gebaute Tempel zählen ebenso zu den insgesamt sieben Weltkulturdenkmälern an den Ausläufern des Himalayas wie die einst von Königen bewohnten Paläste. Seit 1981 setzt sich das Auswärtige Amt im Rahmen seines Kulturerhalt-Programms für den Erhalt kulturellen Erbes weltweit ein. In Nepal wurden in den vergangenen Jahren unter anderem Restaurierungsmaßnahmen in der Königlichen Palastanlage von Patan gefördert. Bei den verheerenden Erdbeben im April und Mai 2015 sind viele der jahrhundertealten Kulturstätten vernichtet worden. Zahllose historisch bedeutende Bauwerke in Nepal wurden ganz oder teilweise zerstört. In einer gemeinsamen Initiative mit der Gerda Henkel Stiftung stellte das Auswärtige Amt unmittelbar nach der Katastrophe Gelder für den Wiederaufbau zur Verfügung. Bereits im Herbst 2015 begannen die Arbeiten auf der Baustelle am Königspalast von Patan. Seit 2008 waren der Brunnen im Hof des südlichen Abschnitts „Sundari Cok“ und das Bhandarhai-Reservoir im Rahmen des Kulturerhalt-Programms restauriert worden, später der Südflügel und der Hinterhof. Während diese Teile des Gebäudes der Naturkatastrophe stand hielten, stürzte der Ostflügel des Palastes komplett ein. Bereits restaurierte Abschnitte waren erdbebensicher gebaut, denn die nachhaltige Sanierung ist ein wesentlicher Schwerpunkt des Kulturerhalt-Programms. Das zeigt sich auch bei den Wiederaufbauarbeiten der Hoffassade: Alle aus den Trümmern geborgenen Bauelemente werden wiederverwendet. Bis zum Januar 2017 sollen die Arbeiten an diesem Teil der Anlage abgeschlossen sein.

Allein in Asien sind rund 700 Projekte zum Erhalt des kulturellen Erbes im Ausland gefördert worden. Aktuelle Beispiele sind Vorhaben zur Rettung von Wandmalereien des Vat Sisaket in Vientiane, Laos, oder die Konservierung der Tempelanlage im kambodschanischen Angkor Wat. Ziel ist es, das Bewusstsein für die eigene nationale Identität im Partnerland zu stärken und einen partnerschaftlichen Kulturdialog zu fördern. Weltweit wurden zwischen 1981 und 2015 mehr als 2700 Projekte in 144 Ländern mit rund 65 Millionen Euro unterstützt. Das Programm ist vielfältig. Maßnahmen zur Restaurierung historischer Bauten, Gegenstände oder Handschriften gehören ebenso dazu wie die Unterstützung und technische Ausstattung von Museen, Dokumentationen oder Filme und die Aufzeichnung mündlicher Überlieferungen im Bereich Literatur und Musik. Ein Trend ist die Digitalisierung historischer Dokumente oder Kulturstätten. Sie hat in den vergangenen Jahren sehr an Bedeutung gewonnen. In Sri Lanka arbeiten Wissenschaftler der Universität Bamberg gemeinsam mit Kollegen der Universität Kelaniya an der Vermessung und 3D-Digitalisierung des Kernbereichs des Zahntempels in Kandy. Bei einem Terroranschlag war die bedeutende buddhistische Pilgerstätte 1998 schwer beschädigt worden. Der Zahntempel, in dem sich laut Überlieferung der linke Eckzahn des historischen Buddhas befindet, soll durch dieses Kulturerhalt-Vorhaben für nachfolgende Generationen bewahrt werden. Über die Website der Tempelanlage wird die Kulturstätte einer breiten Öffentlichkeit auch virtuell zugänglich sein.

Alle Projekte im Rahmen des Kulturerhalt-Programms werden im engen Dialog mit den Partnern im Land entwickelt und, wo möglich, in Zusammenarbeit mit einheimischen Experten und Restauratoren umgesetzt. „Die Ausbildung ist für uns ein ganz entscheidender Aspekt“, sagt Hans Leisen, emeritierter Professor der Technischen Hochschule Köln. „Davon profitieren beide Seiten.“ Seit 1995 ist der Geo- und Konservierungswissenschaftler als Projektleiter in Angkor, im tailändischen Ayutthaya und am Borobudur auf Java unterwegs. Etwa 130 Studierende aus Deutschland und Asien haben ihr Fachwissen in dem Programm bislang praktisch umsetzen können. „Sie erarbeiten eigene Konzepte, die sie direkt vor Ort erproben“, so Leisen. Die Angewandte Denkmalpflege lasse sich in diesen Projekten gut verwirklichen. „Auch mich als Lehrenden hat diese Form der Zusammenarbeit in all den Jahren sehr stark motiviert.“ Die Tempelstadt Angkor, eine Anlage mit unendlich vielen großen und kleinen Tempeln, war eines der wichtigsten Zentren der Khmer-Hochkultur und zählt heute zu den größten Touristenattraktionen Südostasiens. Mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amtes restauriert ein Team der Technischen Hochschule Köln unter Leitung von Professor Leisen die vielen Bilder und Reliefs, mitten im Dschungel Kambodschas. Die Aus- und Weiterbildung einheimischer Restauratoren und deutscher Studierender im Bereich der Stein-, Stuck- und Ziegelkonservierung war von Anfang an eine wesentliche Komponente des Projekts.

„Wir erhalten die Bauwerke so, wie sie sind“, betont Projektleiter Hans Leisen. Sein Team arbeitet eng mit Wissenschaftlern, Architekten und Archäologen aus dem In- und Ausland zusammen. Viele der berühmten Sandsteinreliefs mit den Bildern von Apsara-Tänzerinnen sind so verwittert, dass sie nur noch in Teilen erhalten sind. Nicht alle können gerettet werden. Mehr als ein Drittel der insgesamt 1850 Bilder war zu Beginn der Konservierungsarbeiten so geschädigt, dass in den ersten Jahren täglich größere Teile verloren gingen. „Viele Reliefs haben wir erst einmal notgesichert, um die Besucher zu schützen“, erzählt der Professor aus Köln. Mehr als tausend der in Stein gemeißelten Apsaras haben die Restauratoren und Denkmalpfleger inzwischen erfolgreich behandelt. Das Engagement der deutschen Wissenschaftler werde im Ausland ausgesprochen positiv gesehen, beobachtet Leisen. „Das Kulturerhalt-Programm ist ein diplomatischer Türöffner.“ Über Zeitalter, Regionen und Materialien hinweg bewahren interdisziplinäre Teams historisch einmalige Kulturschätze- und güter vor dem Verfall, bilden aus, binden lokale Fachkräfte ein und stärken damit auch die regionale Wirtschaft. Für Hans Leisen, der seit mehr als zwanzig Jahren ehrenamtlich als „Tempeldoktor“ in Asien unterwegs ist, ein gelungenes Konzept. „Das ist Hilfe zur Selbsthilfe.“▪