„Es fehlt die Analyse“
Was der kenianische Ökonom James Shikwati über die G20-Partnerschaft mit Afrika und das Vorgehen Chinas in Afrika denkt.
Herr Shikwati, Sie gelten als Gegner der Entwicklungshilfe. Die G20 haben auf Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf ihrem Gipfel 2017 in Hamburg einen neuen Ansatz gewählt. Was halten Sie davon?
Die Erklärung der Staats- und Regierungschefs zum G20-Gipfel in Hamburg „Eine vernetzte Welt gestalten” ist ein bedeutsames Dokument, in dem die wichtgsten Herausforderungen in der modernen Welt zusammengefasst sind. Leider geht aus dem Dokument auch hervor, welche Geisteshaltung dem G20-Ansatz gegenüber Afrika zugrunde liegt. Man konzentriert sich auf „Hilfe“-Angebote und die nicht quantifizierbare Aussage „Wir begrüßen die Eigenverantwortung der afrikanischen Länder…“. Bei der Partnerschaft mit Afrika stehen Themen wie Migration und Korruption im Vordergrund, aber es fehlt die Analyse, inwieweit manche Aktivitäten der G20-Mitglieder in Afrika zu Korruption führen und Migration fördern, beispielsweise durch Regierungswechsel, den Wettbewerb um natürliche Ressourcen und die Manipulation globaler Marktwirtschaftssysteme.
China geht mit einem anderen Ansatz in Afrika vor als die westlichen Länder. Was halten Sie davon?
China hat vermutlich die Schwächen westlicher Ansätze in Afrika analysiert: Dass nämlich aus Furcht vor Migranten aus Afrika eine künstliche Stabilität erkauft wird, wobei man sich hinter dem Begriff „Entwicklungshilfe“ verbirgt. Der chinesische Ansatz bestand bisher aus Abmachungen und knallharten Verhandlungen, nicht aus Altruismus-Heuchelei. Mittelfristig ermöglichte dies den Afrikanern den Zugriff auf eine Alternative für internationale Kooperationen bei innerafrikanischen Infrastruktur-Großprojekten. Die chinesischen Interessen führten zu einem heftigen Wettbewerb bei der Ausschreibung nationaler und internationaler Großprojekte. Die neuen „Ausschreibungskriege“ wurden bei Wahlkämpfen zur treibenden Kraft und definierten das politische Umfeld neu, das zuvor auf den Wettbewerb um die Kontrolle über Rohstoffe und ethnische Zugehörigkeiten ausgerichtet war. Sobald die chinesischen Interessen in Afrika ein bestimmtes Level erreicht haben, wird sich die Agenda für Afrika wohl ähnlich gestalten wie im Westen seit über 50 Jahren. Das Alternativszenario besteht darin, dass Afrika sowohl aus den chinesischen, als auch aus den westlichen Interessen seinen Nutzen zieht, um dem Kontinent auf dem Weltmarkt mehr Bedeutung zu verschaffen.
Sie waren kürzlich auf der Afrika-Konferenz “Start-up Africa – afrikanische Wirtschaft stark machen” der Friedrich-Naumann-Stiftung in Bonn. Was raten Sie interessierten Geschäftsleuten?
Start-ups warten nicht darauf, auf Märkte gebeten zu werden. Sie geben selbst die Impulse und reagieren als Erste auf Marktbedürfnisse, die die althergebrachten Akteure stets übersehen. Interessierte Geschäftsleute sollten mit ihren Pendants in Afrika zusammen daran arbeiten, dass ein gutes Geschäftsumfeld entsteht, das heißt ein gutes politisches, gesetzliches und behördliches Umfeld, sonst verkümmern Start-ups. In Afrika sind Start-ups wichtige Arbeitgeber. Sie füllen die Lücke, die die Regierungen nicht bedienen. Bei eindeutigen Vorgaben zum Schutz geistigen Eigentums durch ein patentrechtliches System können Geschäftsleute mit afrikanischen Start-ups kooperieren, Aktivitäten mit strategischen Wertschöpfungsketten aufeinander abstimmen und sich die enormen Möglichkeiten erschließen, die sich dank der dürftigen Infrastruktur beispielsweise auf den Sektoren Energie, Lebensmittelsicherheit, Gesundheit und Bildung bieten.
Gibt es dazu schon ein erfolgreiches Beispiel, etwa eines deutschen Unternehmens?
Mobisol Kenya stammt ursprünglich aus Deutschland und bietet erfolgreich Energielösungen für ländliche Wohneinheiten an, die keinen Netzanschluss bei Kenya Power Electricity haben und auch für diejenigen, die zwar einen Anschluss haben, jedoch oft Stromausfälle hinnehmen müssen. Kenia ist ein fruchtbares Feld für technische und nichttechnische Start-ups, die Lösungen in Bereichen wie Finanzen, Landwirtschaft, Logistik und Bildungswesen anbieten.
James Shikwati ist Direktor des Inter Region Economic Network in Kenia und gilt als Experte für Afrikas wirtschaftliche Entwicklung, ist aber gleichzeitig ein prominenter Kritiker der Entwicklungshilfe.
Interview: Ludger Kersting