„Die Selbständigkeit fördern“
Gabriele Wurster-Vihuto setzt sich für Geflüchtete in Kenia ein. Der Schutz vor dem Corona-Virus spielt dabei eine wichtige Rolle.
200.000 Menschen leben im Flüchtlingslager Kakuma, dem zweitgrößten Camp Kenias. Seit 2015 verhilft die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) den Menschen zu einer besseren Versorgung und zu mehr Selbständigkeit. Im Interview erzählt Projektleiterin Gabriele Wurster-Vihuto, warum ihre Arbeit in der Corona-Krise an Relevanz gewonnen hat.
Frau Wurster-Vihuto, wie sehr ist das Flüchtlingslager Kakuma in Kenia aktuell von der Corona-Pandemie betroffen?
Derzeit (Stand: 15. Juni 2020) gibt es nur zwei positiv getestete Corona-Fälle im Camp. Die Patienten haben keine Symptome und liegen auf einer Isolierstation. Einer von ihnen kann sie wohl bald verlassen. Wie überall auf der Welt werden die Kontaktpersonen genau nachverfolgt.
Kenia hat derzeit knapp 4.000 bestätigte Corona-Fälle. Wie ist es bisher geglückt, das Camp vor dem Virus zu schützen?
Auch im Camp Kakuma sind die Regeln streng: Das nationale Ausgangsverbot gilt auch hier; die Maskenpflicht, umfangreiche Hygienemaßnahmen und Kontaktsperren sollen verhindern, dass sich das Virus im Camp ausbreitet. Im Camp leben die Menschen dicht an dicht. Unter diesen Lebensbedingungen ist es natürlich eine zusätzliche Herausforderung, Abstand zu halten und Hygieneregeln zu befolgen. Das zu unterstützen, ist momentan eine unserer wichtigsten Aufgaben.
Wie hilft die GIZ in dieser Situation?
Auf verschiedenen Ebenen. In einer speziellen Hygieneschulung haben wir 110 Menschen als Gesundheitspersonal ausgebildet. Sie gehen von Haus zu Haus, verteilen Seife, Masken, Desinfektionsmittel und informieren die Bewohner des Camps über Themen rund um Hygiene. Die GIZ gibt zudem zweimal in der Woche in einer Radiosendung Tipps zum Schutz vor einer Ansteckung mit Covid-19. Übrigens arbeiten wir auch mit den Menschen zusammen, die in den aufnehmenden Gemeinden rund um das Flüchtlingscamp leben. Wir legen schon immer großen Wert darauf, diese Menschen in unsere Arbeit zu integrieren. In der Region Turkana leben viele Halbnomaden. Die von der GIZ ausgebildeten Hygieneteams gehen auch zu ihnen oder die Anwohner besuchen die mobilen Gesundheitsdienste des kenianischen Gesundheitsministeriums.
Seit 2015 fördert die GIZ in der Region das Miteinander der Campbewohner und der Einwohner der aufnehmenden Gemeinden. Wie arbeiten die Menschen zusammen?
Wir wollen die Versorgung der Campbewohner sowie der lokalen Bevölkerung sicherstellen und ihre Selbständigkeit fördern. In einem Aus- und Fortbildungsprogramm sowohl für Campbewohner als auch für die lokale Bevölkerung bilden wir zum Beispiel Solartechniker aus. Mit ihrer Hilfe können wir in der Corona-Zeit die Isolier- und Quarantänestationen im Camp mit Solarstrom versorgen. Ein großes Problem ist aktuell die Lebensmittelversorgung: Die Lieferketten mit Ländern wie Uganda, aber auch in Kenia selbst sind stark beeinträchtigt. Schon Ende 2019 haben wir vier Gewächshäuser für Gemüse gebaut. 78.000 Menschen können damit einmal in der Woche versorgt werden. Derzeit planen wir sieben weitere Gewächshäuser, die 120.000 Menschen mit frischem Gemüse versorgen sollen. Bauern haben sich dafür in Gruppen zusammengeschlossen und produzieren gemeinsam. Ihre Lebensmittel verkaufen sie unter anderem auf den umliegenden Märkten. So helfen sie auch bei der Nahrungsmittelversorgung in den Aufnahmegemeinden in unmittelbarer Nähe zum Camp.
Wie wirkt sich die Corona-Krise auf das Zusammenleben der Menschen im Camp und in den aufnehmenden Gemeinden aus?
Für uns ist es schön zu sehen, dass die Geflüchteten und die lokale Bevölkerung gemeinsam agieren und der doch häufig fragile Zusammenhalt nicht auseinanderbricht. Ihre Beziehung zueinander ist gefestigt.