Junge Menschen geben UN neue Impulse
Auf der UN-Jugendkonferenz im Auswärtigen Amt in Berlin diskutieren Schülerinnen und Schüler, wie sie sich für globale Belange engagieren können.
Sophia Longwe, 22, studiert Global Studies an der Universität Maastricht. Dort arbeitet sie vor allem zum Thema Digital Governance. „Viele Jugendliche auf der ganzen Welt haben keinen wirklich guten Zugang zum Internet. Ich habe mir gesagt, es kann doch nicht sein, dass unsere Generation, die am meisten im digitalen Raum unterwegs ist, für die das Internet fest zum Leben dazugehört, oftmals gar nicht darauf zugreifen kann.“ Um etwas an dieser Situation zu verändern, begann sich Longwe politisch zu engagieren. Im letzten Jahr reiste sie als Jugendbeobachterin der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) nach Äthiopien, um am dortigen UN Internet Governance Forum die deutsche Jugend zu repräsentieren. „Über diesen Kontakt bin ich auch auf die UN-Jugendkonferenz des DGVN aufmerksam geworden und habe sofort beschlossen, mich dabei einzubringen.“
Longwe ist eine von rund zehn Workshopleiterinnen und -leitern, die während der UN-Jugendkonferenz am 15. und 16. Juni im Auswärtigen Amt dafür sorgten, dass die teilnehmenden Jugendlichen tief in eine ganze Reihe für sie hochrelevanter Themen wie Migration, Menschenrechte, Klimawandel und Bildung eintauchen konnten. Sie selbst arbeitete mit einer hochengagierten Gruppe von etwa 30 Schülerinnen und Schüler aus ganz Deutschland an Fragen rund um die digitale Lebenswelt junger Menschen. Ein großes Thema war KI, berichtet sie, auch grundsätzliche Fragen zur Regulierung des Internets: Warum gibt es Grenzen in einem Medium, das einmal angetreten war, Grenzen abzubauen? Und wer bestimmt darüber, wo und wie diese gezogen werden? „Junge Stimmen müssen in die internationale Politik“, ergänzt Paulo Glowacki, 21, Co-Workshopleiter von Longwe und wie sie im Internet Governance Forum aktiv. „Da ist das Auswärtige Amt der Place to Be.“ Als Student der internationalen Beziehungen sei er inzwischen gut vertraut mit den Strukturen der Vereinten Nationen. „Wenn man sich hier einbringt, kommt es ziemlich sicher auch bei den Vereinten Nationen an.“
Viele Möglichkeiten der Beteiligung in Berlin
Nur, wie genau soll das gehen: sich einbringen als junger Mensch? Die 18-jährige Mia nahm am Workshop zum Thema Menschenrechte und Meinungsfreiheit teil. Obwohl sie sich in vieler Hinsicht nicht ausreichend gehört fühlt, findet sie es doch schwierig, die Energie aufzubringen, sich politisch zu engagieren: „Schülerin sein ist ja im Grunde ein Vollzeitjob.“ Ähnliches hörte man auch aus anderen Workshops. Eric, 19, war mit seinem Geografie-Leistungskurs aus Schleswig-Holstein nach Berlin gereist und nahm am Workshop zum Thema Bildung und Chancen teil. In die Diskussion müsse man schon gehen, erzählt er, gerade bei Herausforderungen, die nur global gelöst werden können. „Was haben wir zum Beispiel davon, wenn einige Länder schon fast alle SDGs erreicht haben, es in der restlichen Welt aber noch kaum Fortschritt gibt.“ Wie er sich selbst politisch engagieren könnte, bleibt für ihn allerdings noch etwas vage. Nur eines weiß er: Aktivismus kommt für ihn nicht infrage.
Eine gewisse Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation gepaart mit der Unsicherheit, was denn genau dagegen getan werden kann – diese Grundstimmung war in vielen Workshops zu spüren. Antonia Kuhn, 28, die für das Themenfeld Frieden und Sicherheit verantwortlich war, wundert das nicht. „Ich sehe den großen Nutzen der UN-Jugendkonferenz gerade darin, die Schülerinnen und Schüler zu informieren und damit zu empowern, sich eben doch ganz aktiv einbringen zu können.“ Kuhn selbst war als deutsche Jugenddelegierte 2018 bei der UN-Generalversammlung und 2022 beim Jugendgipfel Youth 7 in Berlin, dem Jugendbeteiligungsprozess der G7, engagiert. „Man behauptet immer wieder, die Gen Z wäre unpolitisch. Das stimmt aber nicht. Sie hat sich nur andere Räume erschlossen, die bislang noch zu wenig beachtet werden von der etablierten Politik.“ Es gebe eine ganze Menge von Beteiligungsmöglichkeiten, so Kuhn. „Man muss sie nur bekannter machen unter jungen Menschen.“
Austausch mit jungen Menschen wird weitergeführt
Diese Aufgabe übernahm unter anderem Fidelis Stehle, Jugenddelegierter für Nachhaltige Entwicklung des Deutschen Bundesjugendrings – „Nachhaltig leben“ hieß sein Workshop. „Es gibt UN-Jugenddelegierte zur Generalversammlung, EU-Jugendvertreterinnen und -vertreter, den BMZ-Jugendbeirat, Jugendbeobachterinnen und -beobachter zur Frauenrechtskonvention oder Weltgesundheitskonferenz, Jugenddelegierte für nachhaltige Entwicklung“, erklärte er den Schülerinnen und Schülern. „Das alles sind strukturierte und institutionalisierte Programme, für die ihr euch ganz einfach bewerben könnt.“ Darüber hinaus gebe es eine ganze Reihe von Jugendverbänden, etwa die Major Group for Children and Youth (MGCY), ein Zusammenschluss von Kindern und Jugendlichen auf UN-Ebene sowie Protestbewegungen und Bürgerinitiativen, die mittels Demonstrationen und Petitionen auf lokaler Ebene versuchen, Veränderungen anzustoßen.
Welche Macht Jugendverbände letztlich auch auf UN-Ebene entfalten könnten, dafür nannte Antonia Kuhn im Abschlusspanel der Konferenz ein gutes Beispiel. Die 2015 verabschiedete UN-Agenda für Jugend, Frieden und Sicherheit sei maßgeblich auf die Initiative von Jugendverbänden zurückzuführen, so Kuhn. „Der Punkt damals war, Frieden nicht mehr lediglich als Abwesenheit von Krieg zu begreifen, sondern im Sinne eines gemeinsamen, aktiven Beteiligungsprozesses. Dass wir diesen Aspekt in die Agenda einbringen konnte, war schon ein Riesen-Erfolg für junge Menschen.“ Tobias Lindner, Staatsminister im Auswärtigen Amt, stimmte ihr zu und versprach, all die aus seiner Sicht wichtigen Impulse der Konferenz weiter ins Haus zu tragen. „Die Konferenz war mit Sicherheit keine Eintagsfliege. Wir werden den Austausch mit jungen Menschen weiterführen.“