In der Wüste produziert Chile grünen Strom
Bereits 45 Prozent der chilenischen Stroms wird nachhaltig gewonnen, mit deutscher Unterstützung soll es noch viel mehr werden.
Ernesto Huber gehörte zu denjenigen, die Bedenken gegen Erneuerbare Energien hatten. Huber, dessen Vorfahren aus der Schweiz kamen, ist in der Regulierungsbehörde in Santiago de Chile für die Koordination der Energieverteilung in Chile zuständig. Heute verweist er auf die Vorteile von Wasser-, Wind- und Sonnenkraft, spricht nicht mehr von Problemen, sondern von Herausforderungen. „Wir kommen unserem Ziel immer näher“, sagt Huber. Vor mehr als zehn Jahren herrschte in Chile Energienotstand, weil der große Nachbar Argentinien als Gaslieferant ausgefallen war – nun hat Chile festgestellt, wie es sich von Öl, Gas und Kohle aus dem Ausland unabhängig machen kann: mit nachhaltiger Energie.
Das Land, das den UN-Klimagipfel veranstalten sollte, gilt aufgrund seiner geographischen und meteorologischen Voraussetzungen als Paradies für grüne Energien. So charakterisiert es auch Rainer Schröer, der für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Chile arbeitet. „Da gibt es ein riesengroßes Potenzial“, sagt Schröer. Die Küste Chiles, die Höhenunterschiede und die Atacama-Wüste stellen sehr gute Voraussetzungen für Solaranlagen, Wind- und Wasserkraftwerke dar. Der Anteil der Erneuerbaren Energien an der gesamten Stromproduktion liegt derzeit schon bei 45 Prozent, zum Vergleich: In Deutschland beträgt er laut Umweltbundesamt 38 Prozent. Bis 2050 sollen Sonne, Wind und Wasser in Chile sogar 70 Prozent des Bedarfs decken.
Das zieht ausländische Investoren an, auch aus Deutschland. In der Atacama-Wüste im Norden Chiles, an einem der trockensten Orte der Welt, entsteht eine gigantische Sonnenenergieanlage. Der „Cerro Dominador“, dessen Konstruktion das spanische multinationale Unternehmen Abengoa begonnen hat, ist Lateinamerikas erstes Solarturmkraftwerk, mit einer Höhe von 250 Metern und einer Leistung von 110 Megawatt, und es ist das Aushängeschild von Chiles Energiewende.
In der Region Araukanien im Süden des Landes, Heimat der Indigenen vom Volk der Mapuche, hat im Auftrag des deutschen Unternehmens wpd mit Hauptsitz in Bremen in diesem Jahr der Bau des größten Windparks Chiles begonnen. Er umfasst 77 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 273 Megawatt. „Die anderen Mitbewerber haben einen Bogen um das Gebiet gemacht und die Fläche, die wir nutzen, nicht gesehen“, sagt Thomas Schröter, Manager von wpd Chile. Die Windräder werden das Landschaftsbild des Gebiets um die Stadt Collipulli verändern.
Wie in Deutschland stoßen Windparks auch in Chile immer wieder auf Widerstand. In vielen der umliegenden Gemeinden leben Mapuche, die ihr Territorium „Wallmapu“ nennen und denen die Natur heilig ist. Daher sind wpd-Mitarbeiter schon in der Planungsphase des Projekts vor mehr als fünf Jahren, in Kontakt mit der Bevölkerung getreten, um ihr Vertrauen und die Zustimmung zu der Anlage zu gewinnen. Unterstützung bekommt das Unternehmen, das auf eine Strategie der „Sozialen Akzeptanz“ setzt und sich damit von anderen Unternehmen anheben möchte, von der GIZ. Sie betreibt in Chile verschiedene Projekte zur Förderung Erneuerbarer Energien. wpd arbeitet zudem mit einem Fonds für lokale Entwicklungsprojekte zusammen.
Weitgehend scheint die Strategie aufzugehen, auch wenn es Proteste gegen ein Wasserkraftwerk gegeben hat, das in Collipulli ebenfalls geplant ist. Viele Menschen dort haben Angst, dass es zu extremen Eingriffen in ihren Lebensraum kommt. Und sie befürchten, dass sie selbst am Ende mit leeren Händen dastehen wie dies bei Mega-Infrastruktur-Projekten in Lateinamerika immer wieder der Fall gewesen ist. Das Grundstück, auf dem gerade der Windpark Collipulli entsteht, gehört zwei der reichsten Agrarunternehmern der Gegend. Der Strom soll an den chilenischen Stromversorger Transelec verkauft werden. In Chile ist der Strommarkt, wie viele andere Bereiche auch, seit der Diktatur General Augusto Pinochets privatisiert. Deswegen geht der wirtschaftliche Aufschwung an vielen Menschen vorbei – dagegen demonstrieren im Herbst 2019 Millionen Chilenen.
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