„Champion ist der Lehm“
Die preisgekrönte deutsche Architektin Anna Heringer baut weltweit mit natürlichen Materialen. Dabei hat sie eine klare Vorliebe.
Die deutsche Architektin Anna Heringer baut weltweit vor allem mit Lehm, sie lehrt an renommierten Universitäten und erhielt für ihre Werke schon zahlreiche wichtige Preise. Von ihrer Geburtsstadt Laufen an der Grenze von Deutschland und Österreich aus trägt sie ihre Ideen vom Bauen für morgen in die Welt.
Frau Heringer, was bedeutet für Sie nachhaltiges Bauen?
Es bedeutet, dass wir wirklich im Einklang mit unserer Mitwelt bauen. Dafür müssen wir die natürlichen Ressourcen nutzen – und der Champion ist für mich dabei der Lehm. Er ist in großen Mengen überall auf der Welt vorhanden, aber wir werfen ihn weg. Bei jedem Aushub für einen Bau fällt Lehm an, den wir in lokalen Manufakturen oder Fabriken weiterverarbeiten könnten. Lehm kann außerdem einfach recycelt werden. Und wir wissen seit Jahrhunderten, dass Lehm keine negativen Nebenwirkungen für den Menschen hat. Er ist in jeder Hinsicht ein fantastisches Baumaterial.
Wenn es Kostenwahrheit beim Baumaterial geben würde, würde Lehm schon heute mehr genutzt. Denn dann würden die Kosten etwa für Energie und Entsorgung und auch die CO2-Emissionen in die Bepreisung der Baumaterialien einfließen.
Verträgt sich das Bauen mit natürlichem Material wie Lehm mit Hightech und Smart Houses, die gerade geplant werden?
Ja, natürlich. Lehm erzeugt keine Energie, insofern kann zum Beispiel Solartechnik ein solches Haus ergänzen. Außerdem kann Lehm zwar komplett mit der Hand verarbeitet werden, aber eben auch mit moderner Technologie. Es geht dabei um die Werkzeuge, nicht um das Material.
Ihre Arbeit wird mit Preisen ausgezeichnet, Sie haben einen UNESCO-Lehrstuhl inne. Aber sehen Sie auch ein tatsächliches Umdenken zu mehr Nachhaltigkeit?
Es gibt auf jeden Fall Bewegung. Als ich studiert habe, war das Bauen mit Lehm ein Wunschtraum. Heute unterrichte ich es an Universitäten wie Harvard oder der ETH Zürich. Das Thema nachhaltiges Bauen nimmt immer mehr Raum ein. Die alten Bauweisen sind zwar noch da, aber es ist immer mehr Menschen bewusst, dass wir dringend Veränderungen brauchen.
Sie haben Projekte auf der ganzen Welt realisiert. Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten haben Sie dabei beobachtet?
Bauen ist ein Grundbedürfnis des Menschen, das ist nicht anders in Deutschland als in Bangladesch oder Ghana. Jedes Kind spielt Bauen. Deshalb ist die Partizipation der Menschen so wichtig. In den Ländern des globalen Südens ist dieses Gemeinschaftsgefühl noch stärker vorhanden, doch es besteht auch in Deutschland. Als wir zum Beispiel im Wormser Dom einen Altar aus Lehm gestaltet haben, waren viele Menschen der Gemeinde beteiligt. Und sie hatten sehr viel Freude am gemeinsamen Tun. Gehemmt wird das nachhaltige Bauen durch zu viele Regeln und Normen – und durch Angst. Wir brauchen mehr Vertrauen, etwa in das Bauen mit Lehm.
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