Eine Zukunft in Deutschland
Deutschland richtet entwicklungspolitische Zusammenarbeit im Bereich Migration neu aus und beginnt damit in Ghana.
Hubertus Heil strahlt. Auf dem sandigen Gelände einer Grundschule in Ghanas Hauptstadt Accra werden der Bundesarbeitsminister und Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, von den Kindern mit Gesang und Tanz empfangen. „Da geht einem wirklich das Herz auf“, sagt Heil. Mit Hilfe von Spenden aus Deutschland hat eine Berlinerin hier vor 27 Jahren die Grundschule aufgebaut. Viele ihrer Schützlinge seien an weiterführende Schulen gegangen oder sogar an eine Uni – nach Deutschland hat es aber niemanden verschlagen, erzählt Schulleiterin Karola Slany. Im Gegenteil: „Deutschland ist für die Kinder ganz weit weg“, sagt sie.
Neue Ausrichtung der deutschen Migrationspolitik
Viele andere Menschen in Ghana sehen dagegen ihre Zukunft in Europa, auch in Deutschland. Deswegen werben Heil und Schulze auf ihrer Afrika-Reise dafür, beides möglich zu machen – Entwicklung in der Region und auch Auswanderung. Denn in Deutschland werden Fachkräfte händeringend gesucht. In der schwülen Februarluft des westafrikanischen Landes verkünden der Arbeits- und die Entwicklungsministerin dann auch nichts Geringeres als einen „Paradigmenwechsel in der deutschen Migrationspolitik“.
Die Bundesregierung möchte den Fachkräftemangel verkleinern – ohne dass Herkunftsländer darunter leiden. Deutschland soll attraktiv für Fachkräfte aus aller Welt sein. Bereits seit März 2020 gilt deshalb das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Es erweitert die Möglichkeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Staaten außerhalb der EU, nach Deutschland zu kommen. Geplant ist 2023 eine Weiterentwicklung des Gesetzes, um Menschen aus Ländern außerhalb der EU einfacher und schneller für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen. Die Eckpunkte hat die Bundesregierung Ende November 2022 beschlossen, demnächst soll der Gesetzentwurf für die Neuregelung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes in den Bundestag eingebracht werden.
Ghanaisch-deutsches Migrationsberatungszentrum
In den Herkunftsländern der Menschen soll sich die Situation durch einen Fachkräftezuzug nach Deutschland aber möglichst nicht verschlechtern, sondern sogar verbessern. In Accra wollen Heil und Schulze daher hoffnungsvolle Botschaften zur Migration setzen. „Es geht darum, dass beide Staaten in ihrer Volkswirtschaft davon profitieren können“, sagt Heil. „Deswegen ist es gut, miteinander zu arbeiten und eine Win-Win-Win-Situation zu schaffen“, meint Schulze.
Heil und Schulze starten in Accra die Neuausrichtung eines bestehenden ghanaisch-deutschen Migrationsberatungszentrums. Die Einrichtung, direkt neben Ghanas Arbeitsministerium gelegen, soll Interessierte informieren: Welche Wege führen nach Deutschland und in andere EU-Länder? Was müssen auswanderungswillige Ghanaer machen, die es erstmal in anderen afrikanischen Ländern versuchen wollen?
Hilfe bei der Existenzgründung in Ghana
Zudem soll das Zentrum – wie bisher schon – aus Deutschland zurückkehrenden Ghanaern helfen, in ihrer Heimat wieder Fuß zu fassen. So verspricht Deutschland unter anderem Unterstützung bei einer Existenzgründung. „Wenn hier der Eindruck entsteht, als würden wir diesem Land kluge Fachkräfte abziehen, dann wäre das ein falscher“, sagt Heil. Denn in Ghana mit seinen knapp 34 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern gibt es dem deutschen Minister zufolge einen Überschuss an gut ausgebildeten Menschen, die keine Arbeit finden. Laut Prognosen wächst Ghanas Bevölkerung in den kommenden zehn Jahren um weitere knapp sieben Millionen Einwohner. „Deshalb ist es wichtig, dass wir in mehrerlei Richtungen dafür sorgen, dass das faire Migration ist.“
Illegale Fluchtbewegungen
Ghana ist im Vergleich zu manchen anderen westafrikanischen Ländern politisch stabil. Viele der jungen Menschen, die als Kinder die Schule von Karola Slany besucht hatten, arbeiten heute selbst als Lehrkräfte, als Krankenschwestern oder Priester im Land. Doch Ghana leidet unter einer Inflation von mehr als 50 Prozent. Die Wirtschaft ist angeschlagen. Neuerdings wollen viele Menschen das Land verlassen. „Es geht auch darum, mörderische Wege durch die Sahara zu vermeiden“, sagt Heil mit Blick auf illegale Fluchtbewegungen. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz sollen Einreisewillige zum Beispiel nach Berufserfahrung oder ihrem Deutschlandbezug ausgewählt werden.
Starke deutsch-ghanaische Beziehungen
Das Entwicklungsministerium steckt allein in Ghana in den kommenden drei Jahren rund zehn Millionen Euro in Qualifizierung und berufliche Bildung. Ghanas Sozialministerin Lariba Abudu lobt die „starken bilateralen Beziehungen“ zu Deutschland. Das Zentrum in Accra ist Teil der größeren Leuchtturminitiative „Centrum für internationale Migration und Entwicklung“, einer Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit. 150 Millionen Euro fließen aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung insgesamt in solche Migrationsprojekte in Länder Afrikas, Asiens, Lateinamerikas sowie Mittel- und Osteuropas. Weitere Zentren wie in Accra sind in Marokko, Tunesien, Ägypten, Jordanien, Nigeria, Irak, Pakistan und Indonesien geplant. (mit dpa)