Neue Energie aus Afrika
Wie Deutschland und afrikanische Länder in Energiepartnerschaften gemeinsam am Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen arbeiten.
Stefan Liebing hatte einen Wettbewerbsvorteil. Der Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft kennt Afrika bestens und wusste, dass in dem südwestafrikanischen Staat Angola ein Wasserkraftwerk nur mit halber Kraft läuft. Die Turbinen des gut 200 Kilometer östlich der Hauptstadt Luanda gelegenen Laúca-Stausees könnten eigentlich zwei Gigawatt Strom erzeugen: Bedarf besteht aber nur für die Hälfte. Der Rest sei preiswert zu haben, fand Liebing heraus: Eine einzigartige Chance für die Realisierung seiner Vision.
Grüner Wasserstoff als Energieträger der Zukunft
Als Afrika-Kenner wusste der Chef der Hamburger Beratungsfirma „Consulta“ auch, wofür der sonnenverwöhnte Erdteil so gut wie kaum ein anderer geeignet ist: Zur Herstellung von „grünem Wasserstoff“, der bei den einen als „Energieträger der Zukunft“, bei anderen als überteuerter „Champagner der Energiewende“ galt. Letzteres allerdings nur bis zu Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine: Seit dieser „Zeitenwende“ ticken auch die Rechenmaschinen der Energieerzeuger anders. Inzwischen wird dem umweltfreundlichen Wasserstoff die Hauptrolle beim Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen zuerkannt.
Wasserstoff wird durch die Trennung von Wasser in Sauer- und Wasserstoff gewonnen. Für die Elektrolyse ist ein erheblicher Energieaufwand nötig, der aus Erdgas oder Erdöl gespeist werden kann: Dann handelt es sich jedoch um „braunen“ oder „grauen“ Wasserstoff, bei dessen Herstellung große Mengen an Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen werden. „Grün“ ist Wasserstoff nur, wenn er mit erneuerbarem Strom gewonnen wird – und hier kommt Afrika mit seiner gleißenden Sonne, den böigen Winden, einer 30.000 Kilometer langen Küste und seinen mächtigen Flüssen ins Spiel.
Grüner Wasserstoff aus Angola
Das alles ist auch in Angola vorhanden. Stefan Liebing reichen vorerst schon der überschüssige Strom des Laúca-Kraftwerks und das Wasser des Dande-Flusses. Gemeinsam mit dem Nürnberger Ingenieurbüro Gauff und dem angolanischen Erdölkonzern Sonangol visiert der promovierte Energiefachmann den Bau der ersten Wasserstofffabrik des Kontinents an. Die an der Atlantikküste wenige Kilometer nördlich von Luanda geplante Anlage soll Wasserstoff zur Herstellung von 400 Megawatt Strom erzeugen und eine halbe Milliarde Euro kosten. Geht alles gut, wird das Projekt bereits Ende 2024 fertig sein – auch die zwischen der deutschen und angolanischen Regierung abgeschlossene „Energiepartnerschaft“ soll bei dem Vorhaben helfen. Dann sollen in Barro do Dande die ersten Tanker ablegen, um den mit Stickstoff zu Ammoniak verbundenen Wasserstoff nach Deutschland zu verschiffen.
Energiepartnerschaften hat die deutsche Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren bereits mit mehr als 20 Staaten der Welt abgeschlossen. Sie sollen sowohl Deutschland wie seinen Partnerstaaten bei der Entwöhnung von fossilen Brennstoffen bis spätestens Mitte des 21. Jahrhunderts helfen. Sie sollen vor allem den Regierungen der Partnerstaaten beim Aufbau einer umweltfreundlichen Energiewirtschaft zur Seite stehen – deren Ziele und Richtlinien mitbestimmen, Projekte anstoßen, bei der Ausbildung von Fachkräften und am Aufbau der nötigen Infrastruktur mitwirken.
Wasserstoffpartnerschaft zwischen Deutschland und Namibia
Wie am Ausbau des Hafens in Lüderitz – einem in der deutschen Kolonialzeit errichteten Städtchen im Süden Namibias. Von hier aus wurden einst Diamanten verschifft, dann Fische an Land gebracht, schließlich drohte das verschlafene Städtchen unter Wüstensand begraben zu werden. Doch jetzt soll in Lüderitz die größte Wasserstofffabrik des Kontinents entstehen. Schon in drei Jahren will ein Konsortium unter Beteiligung des brandenburgischen Energieunternehmens Enertrag hier zwischen Meer und Wüste jährlich 300.000 Tonnen Wasserstoff herstellen. Damit könnte zum Beispiel Berlin fast komplett mit Strom versorgt werden. Das Werk, zu dem ein Windpark, eine Solarfarm, eine Wasserentsalzungsanlage sowie der Elektrolysebetrieb gehören, wird fast 10 Milliarden Euro kosten. James Mnyupe, der Kommissar für grünen Wasserstoff in Namibia, will aber mehr. Er möchte den Wüstenstaat in ein „Powerhouse für synthetische Kraftstoffe“ verwandeln. Und die vor einem Jahr unterzeichnete Wasserstoffpartnerschaft mit Deutschland hilft dabei.
Internationale Energiepartnerschaft mit Südafrika
Der kontinentale Gigant in Sachen Energie ist allerdings Südafrika – und zwar im negativen wie im positiven Sinn. Noch heute stellt das wirtschaftsstarke Land fast 90 Prozent seines Strombedarfs mit Kohle her: Südafrika zählt weltweit zu den zwölf größten CO2-Emittenten. Gleichzeitig verfügt Südafrika – wie Namibia – über mehr als die doppelte Zahl deutscher Sonnenstunden, außerdem über Halbwüsten und eine 2.800 Kilometer lange Küste, über die der Wind fegt. Während der UN-Klimakonferenz 2021 in Glasgow versprachen die Regierungen der USA, Großbritanniens, der Europäischen Union, Frankreichs und Deutschlands unter dem Titel „Just Energy Transition Partnership“, dem Staat bei der Finanzierung seiner Energiewende zu helfen. Deutschland steuert zunächst 800 Millionen US-Dollar bei.
Auch diese Kraftanstrengung wird von der Energiepartnerschaft mit Deutschland begleitet. Deren Tätigkeitsfeld ist in sechs Bereiche, darunter Themen wie Energiespeicherung, Flexibilisierung und grüner Wasserstoff, aufgeteilt. Auf diese Weise könnte sich das Kap der Guten Hoffnung in einen Hoffnungsträger der Energiewende verwandeln.