Auf dem Weg zur Klimaneutralität
Die deutsche Chemieindustrie verbraucht viel Energie und belastet somit die Umwelt. Doch die Branche treibt ihren klimaschonenden Umbau aktiv voran.

Ohne Chemie geht gar nichts – die Branche ist unverzichtbar für zahlreiche Industriezweige. Das Problem: Die Chemieindustrie verbraucht viel Energie und emittiert große Mengen an Treibhausgasen. Die gute Nachricht: Sie hat das Problem erkannt und arbeitet intensiv an Lösungen zur Dekarbonisierung ihrer Prozesse.
„So klar das Ziel der Transformation zur Klimaneutralität ist, so unglaublich komplex ist der Totalumbau unserer energieintensiven Branche“, sagt Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). Um mehr Klarheit zu schaffen, hat der VCI gemeinsam mit dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) die Klimaschutzplattform Chemistry4Climate (C4C) ins Leben gerufen. Die groß angelegte und öffentlich geförderte Initiative entwickelte in den Jahren 2021 bis 2024 unterschiedliche Szenarien und Lösungsansätze für eine klimaneutrale Chemieindustrie in Deutschland.
Szenarien für eine klimaneutrale Chemieindustrie
Im Rahmen von C4C beschreiben drei zentrale Szenarien die unterschiedlichen Transformationspfade:
- Maximale direkte Nutzung von erneuerbarem Strom: Hier liegt der Fokus auf der Elektrifizierung von Prozessen, um fossile Energieträger weitgehend zu ersetzen.
- Fokus auf Wasserstoff und Power-to-X-Technologien: In diesem Szenario spielt grüner Wasserstoff eine Schlüsselrolle als Ersatz für fossile Rohstoffe und Brennstoffe.
- Fokus auf Sekundärrohstoffe: Kreislaufwirtschaft und chemisches Recycling stehen im Mittelpunkt, um den Kohlenstoffbedarf der Chemieindustrie möglichst aus Abfällen zu decken.
Die Szenarien verdeutlichen, dass der Umbau der Branche massive Investitionen erfordert. Der Strombedarf für eine treibhausgasneutrale Chemieindustrie könnte sich Schätzungen zufolge bis 2045 auf mehr als 600 Terawattstunden (TWh) pro Jahr belaufen – 2024 lag er in ganz Deutschland bei 464 TWh. „Die Transformation der Chemieindustrie ist besonders herausfordernd, weil sie nicht nur die Energieversorgung betrifft, sondern auch die Rohstoffbasis für ihre Produkte“, sagt Dieter Westerkamp, Bereichsleiter Technik und Gesellschaft beim VDI.
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Einverständniserklärung öffnenHerausforderungen: Infrastruktur, Rohstoffe und Regularien
Zu den größten Hürden auf dem Weg zur Klimaneutralität zählt die Verfügbarkeit von Grünstrom. Der Ausbau erneuerbarer Energien und der Netzinfrastruktur muss beschleunigt werden, um die energieintensive Chemiebranche ausreichend versorgen zu können.
Zudem stellt sich die Frage, wie sich der Bedarf an nachhaltigen Rohstoffen decken lässt. Biomasse, Kunststoffabfälle und CO₂ als Kohlenstoffquelle spielen in allen Szenarien eine entscheidende Rolle. Ihre umfassende Nutzung steht allerdings in Konkurrenz mit anderen Sektoren, die ebenfalls Klimaneutralität anstreben.
Regulatorische Unsicherheiten erschweren die Transformation zusätzlich. Die Chemiebranche wünscht sich für die erforderlichen Investitionen klare politische Rahmenbedingungen. Trotz dieser Herausforderungen sind bereits viele Unternehmen aktiv und realisieren Klimaschutzprojekte.
Wasserstoff als Hoffnungsträger
Ein vielversprechender Ansatz für die Produktion von klimaneutralem Wasserstoff ist die Methanpyrolyse. So testet etwa BASF in Ludwigshafen eine Pilotanlage, in der Methan in Wasserstoff und festen Kohlenstoff gespalten wird – ohne direkte CO₂-Emissionen. Durch dieses Verfahren könnte Wasserstoff deutlich energieeffizienter gewonnen werden als durch Elektrolyse.
Thyssenkrupp Nucera treibt in Dortmund den industriellen Hochlauf der Wasserelektrolyse voran und forscht an der Nutzung von Hüttengasen für chemische Prozesse. Die Technik soll in großem Maßstab die Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien ermöglichen.
Das PtX Lab Lausitz ist eine der wichtigsten Forschungseinrichtungen für Power-to-X-Technologien. Es unterstützt Chemie- und andere Industrieunternehmen dabei, CO₂-neutrale Chemikalien aus erneuerbarem Strom zu produzieren. Ein besonderer Fokus liegt auf der Methanolsynthese, bei der Wasserstoff und CO₂ zu Methanol verarbeitet werden – einem essenziellen Rohstoff für die Chemieindustrie.