„Ein großer Gewinn“
Wie der Präsident der europäischen Handelskammer in China das Investitionsabkommen beurteilt und was den Durchbruch brachte.
China ist nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner der EU. Das Handelsvolumen hat sich zwischen 2000 und 2019 verachtfacht, 2019 lag es bei 560 Milliarden Euro. Die Direktinvestitionen der EU in China liegen bei 140 Milliarden Euro seit 2000, umgekehrt waren es 120 Milliarden Euro. Diese Zahlen zeigen, wie eng die beiden Wirtschaftsräume verflochten sind und welches Interesse sie haben, weiter zusammenzuarbeiten. Die European Union Chamber of Commerce in China ist die Interessenvertretung der europäische Wirtschaft in China. Ihr gehören 1.700 Unternehmen und Personen an. Ihr Präsident, der Deutsche Jörg Wuttke, lebt seit über 30 Jahren in China. Wir sprechen ihn kurz nach Abschluss des Investitionsabkommens.
Herr Wuttke, Sie haben indirekt an dem Investitionsabkommen zwischen der EU und China mitgewirkt. Wie froh sind Sie, dass es jetzt vereinbart wurde?
Ja, wir haben immer wieder Papiere und Positionen reingegeben und freuen uns über das Ergebnis. Das Investitionsabkommen ermöglicht EU-Investoren nun einen beispiellosen Marktzugang. Es wird zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für EU-Unternehmen in China beitragen und ihnen ermöglichen, sich in Schlüsselsektoren einzukaufen oder ein Unternehmen zu gründen.
Sieben Jahre lang wurde verhandelt. Wie gelang der Durchbruch?
Im Mai 2020 habe ich noch gedacht, das Ding ist tot. Ich hatte nicht den Eindruck, dass China den Markt weiter öffnen wollte. Doch dann hat die deutsche Ratspräsidentschaft eine Deadline gesetzt, der chinesische Staatspräsident hat das Abkommen zur Chefsache gemacht und schließlich ist Ende 2020 doch noch mehr dabei herausgekommen, als wir gedacht haben.
Manche Beobachter sind der Ansicht, dass die EU mit dem Investitionsabkommen mehr erreicht hat als China…
Dieser Eindruck ist allein der Tatsache geschuldet, dass die Türen für Investitionen in der EU schon vorher weit offen standen.
Hat der Handelskonflikt zwischen China und den USA im Hintergrund eine Rolle gespielt?
Ja, China ist seit drei Jahren gewaltig unter Druck und wollte zeigen, dass es politisch handlungsfähig ist. Das belegt auch das Freihandelsabkommen Chinas mit 14 anderen asiatischen Staaten. Das war ein erster Erfolg. Nun wollte China auch den Deal mit der EU machen, letztlich ein großer politischer Gewinn.
Wie geht es jetzt weiter?
Derzeit wird der Wortlaut auf beiden Seite fertiggestellt, anschließend der Text juristisch überprüft und übersetzt. Dann kann er dem Rat und dem Europäischen Parlament zur Annahme vorgelegt werden. Das wird wohl im vierten Quartal passieren oder Anfang 2022, wenn Frankreich die Ratspräsidentschaft übernimmt.
Kann man davon ausgehen, dass die Vereinbarungen auch eingehalten werden?
China ist der Welthandelsorganisation WTO beigetreten und hat seitdem seine Beitrittsverpflichtungen im Großen und Ganzen umgesetzt. Daher gehe ich davon aus, dass auch das Investitionsabkommen eingehalten wird. Denn wenn man China nicht traut, braucht man auch keinen Deal zu machen.