Deutsch-Iraner mit Gründergeist
Kreativ, mutig, freiheitsliebend: Jeder sechste Gründer in Deutschland kommt aus einer Zuwandererfamilie. Unter ihnen sind viele, deren Eltern aus Iran stammen.
Sohrab Mohammad und sein Studienfreund Torben Buttjer stocherten lustlos in ihrem Essen. In der Bremer Uni-Mensa schauten sie kopfschüttelnd auf ihre Teller und die weiße Masse darauf: den Reis. „Warum gibt es Reis in Deutschland eigentlich immer in dieser völlig geschmacklosen Form?“, fragte Mohammad. Seine Eltern stammen aus Iran, wo Reis zu fast jedem Essen dazugehört. „Bei uns ist er aber nicht ein weißer Sattmacher, sondern schmeckt intensiv nach dem Boden, auf dem er angebaut wird“, sagt der 33-Jährige.
Das Erlebnis in der Mensa ließ die beiden damaligen Wirtschaftsingenieursstudenten nicht mehr los. Als die Stiftung Warentest wenig später in einem Beitrag zahlreichen Reisprodukten eine mangelhafte Qualität bescheinigte, stand für sie fest: Es gibt eine Marktlücke. 2011 gründeten die beiden deshalb das Unternehmen „Reishunger“. Über das Internet verkaufen sie hochwertige Getreidekörner, die sie aus den Ursprungsländern importieren: Basmati-Reis aus Indien, Risotto-Reis aus Italien, Sadri-Reis aus Iran. Ihr Unternehmen hat mittlerweile mehr als 60 Beschäftigte und erzielte im Jahr 2016 einen Umsatz von fünf bis sechs Millionen Euro.
Etwas gründen, etwas schaffen
Sohrab Mohammad ist einer von vielen Unternehmern in Deutschland mit ausländischen Wurzeln. Mittlerweile gilt das für etwa jeden sechsten Gründer, ergab eine kürzlich veröffentlichte Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (ifm) und der Universität Mannheim. Gerade in der Start-up-Szene fallen immer wieder iranische Namen auf – so wie der von Sohrab Mohammad.
Für den 33-Jährigen stand schon früh fest, dass er sein eigenes Ding machen wollte. „Ich hatte schon in der Jugend den Wunsch, selbst etwas zu schaffen“, sagt er. In der Schulzeit leitete er eine kleine Filmproduktionsfirma. Und auch unter seinen Bekannten gibt es viele Deutsch-Iraner, die überlegen, wie er ein Unternehmen zu gründen. „Vielleicht liegt es daran, dass wir die erste Generation sind, die sich völlig frei entfalten kann“, sagt der in Bremen geborene Unternehmer.
Freiheiten beim Arbeiten – das war auch Pouya Azimi Garakani aus Köln wichtig. Er gründete 2011 mit MobiLab Solutions ein Unternehmen für mobile Bezahl- und Bestellsysteme. Heute beschäftigt er 26 Mitarbeiter, zu seinen Kunden zählen große Handelskonzerne, Restaurant-Ketten und Online-Händler. Schon während der Studienzeit hatte er festgestellt, wie wichtig ihm Freiräume sind. „Beim wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt man sich mit Themen, die einen interessieren und motivieren“, sagt Azimi. „Das hat mir großen Spaß gemacht.“ Er schloss die Uni als Jahrgangsbester ab.
15 Prozent Arbeitszeit für die Kreativität
Freiheiten im Arbeitsleben versucht Azimi heute in seinem Unternehmen umzusetzen. Seine Mitarbeiter können bis zu 15 Prozent ihrer Arbeitszeit dafür nutzen, sich mit eigenen Interessen zu beschäftigen. Sie bloggen über neue Programmiersprachen oder programmieren für Open-Source-Projekte. „Sie sollen so die Möglichkeit haben, ihre eigenen Themen voranzubringen“, erklärt Azimi.
Der 33-Jährige sieht sich als „kölschen Lokalpatrioten“. Aber auch zu seinem Herkunftsland Iran hat er enge Verbindungen. Zwei- bis dreimal im Jahr fliegt er nach Teheran. Er berät dort nicht nur Großunternehmen, sondern unterstützt als Mentor Start-ups. Worauf sollte man bei der Organisationsstruktur achten? Welche typischen Fehler lassen sich vermeiden? Worauf sollte man bei Bewerbern Wert legen? Diese und viele andere Fragen beantwortet er iranischen Gründern. „Ich möchte mein Wissen weitergeben und dadurch eine Brücke zwischen Deutschland und Iran schlagen“, sagt Azimi. Er wolle durch sein Engagement zur Kommunikation und zum Wissenstransfer zwischen den beiden Ländern beitragen.
In die Wirtschaft kommt Bewegung
Genau solche Mentoren wie Azimi sind in Iran sehr gefragt. „Es gibt hier viele junge Menschen mit guten Ideen, die aber mehr Wissen benötigen, um diese umzusetzen“, sagt Mohammadreza Azali. Er ist Mitgründer von TechRasa. Das Unternehmen mit Sitz in Teheran berichtet über die Start-up-Szene im Land und berät ausländische Unternehmen beim Einstieg in den iranischen Markt. In den vergangenen Jahren habe die Start-up-Szene einen Aufschwung erlebt, berichtet Azali. „Viele junge Leute, wie etwa Studenten, haben ihr eigenes Unternehmen aufgebaut.“ Bislang konzentrierten sich die Gründer insbesondere auf E-Commerce. Jetzt stehen auch einige Fintech-Unternehmen mit mobilen Bezahllösungen in den Startlöchern.
Einen Beitrag zu der Entwicklung dürfte das schnellere mobile Internet geleistet haben, das es seit 2014 in Iran gibt. In einem Land mit 75 Millionen Einwohnern und schätzungsweise 30 Millionen Smartphones haben sich dadurch viele neue Möglichkeiten für Gründer aufgetan. Bewegung in die Wirtschaft könnte auch das Ende der Sanktionen gegen Iran bringen, schätzt Azali. „2016 haben uns pro Woche zwei bis drei Unternehmen aus dem Ausland kontaktiert, die mehr über den iranischen Markt wissen wollten.“
Ihre positive geschäftliche Entwicklung wollen auch Pouya Azimi Garakani und Sohrab Mohammad fortsetzen. Azimi verteidigt demnächst seine Doktorarbeit, die er nebenbei geschrieben hat. Und eines von vielen Projekten von Mohammad wird wieder etwas mit dem Heimatland seiner Eltern zu tun haben. Er will einen persischen Reiskocher ins Sortiment aufnehmen.
Kulturprogramm „Die iranische Moderne“
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