Mehr Licht als Schatten
Covid-19-Pandemie und die Folgen: Der deutsch-polnische Handel könnte von einer Neuordnung der globalen Lieferketten sogar profitieren.
Die Corona-Pandemie hat die Volkswirtschaften im Herzen Europas hart getroffen. In Polen brach das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal um 8,9 Prozent ein. In Deutschland waren es sogar 10,1 Prozent, jeweils im Vergleich zu den drei Vormonaten. Hinzu kommen die psychologischen Nachwirkungen des schockartigen Shutdowns. So sind die Megastaus an der Oder-Neiße-Grenze im März noch lange nicht vergessen. Auch der abrupte Stopp der Pendlerströme zwischen dem Osten Deutschlands und dem Westen Polens hat viele Menschen in der Region nachhaltig verunsichert.
Die gute Nachricht: Der bilaterale Handel hat unter all dem weniger gelitten als erwartet. Auf das gesamte erste Halbjahr bezogen nahm der Warenaustausch sogar leicht zu. Und langfristig könnte die Corona-Pandemie den Handel zwischen den Nachbarn sogar weiter voranbringen. „Das Bewusstsein, dass in Europa eine echte Gemeinschaft besteht, erhält nach dieser Krise eine neue Bedeutung“, sagt die polnische Entwicklungsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin Jadwiga Emilewicz, in deren Ressort Themen aus Wirtschaft, Infrastruktur und Technik gebündelt sind. Das ergebe sich aus der zu erwartenden Neuordnung der weltweiten Lieferketten. Die Extreme der Globalisierung würden korrigiert, prophezeit Emilewicz: „In strategischen Sektoren wird es weniger Produktionsstätten außerhalb Europas geben.“
Zu einem ähnlichen Urteil kommt ein aktueller Forschungsbericht der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau: „Die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering, dass mit der Neujustierung und Verkürzung von Produktionsketten nach Abklingen der Covid-19-Pandemie die mittelosteuropäische Region als Ganzes profitiert.“ Dafür spricht auch die langfristige Entwicklung in der Vor-Corona-Zeit. Das Gesamtvolumen des deutsch-polnischen Handels belief sich 2019 auf 123,5 Milliarden Euro. Das war nach vielen Jahren der Rekorde ein weiterer Höchststand.
Polen ist nach dem EU-Beitritt 2004 für Deutschland schnell zu einem immer wichtigeren Handelspartner geworden und steht im Ranking inzwischen auf Platz sechs, noch vor Großbritannien. Umgekehrt nimmt die Bundesrepublik als größte Volkswirtschaft auf dem Kontinent klar Platz eins bei den polnischen Ein- und Ausfuhren ein. Dabei liefert Deutschland vor allem Maschinen und Vorerzeugnisse zur Weiterverarbeitung, insbesondere Autoteile, Metalle und chemische Produkte. Umgekehrt liefert Polen Möbel, Lebensmittel, Haushaltsgeräte und Kfz-Zubehör.