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Mit dem Forschungsflieger in die Gewitterwolken

Ein deutsch-brasilianisches Forschungsprojekt nimmt Messungen in der Atmosphäre vor, um den tropischen Regenwald besser zu verstehen.

VerenaKernVerena Kern, 09.06.2023
Forschungsflugzeug HALO
Forschungsflugzeug HALO © Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

Wenn Joachim Curtius vom deutsch-brasilianischen Projekt CAFE-Brazil erzählt, kommt der Atmosphärenforscher ins Schwärmen. 60 Tage lang war er in der brasilianischen Tropenstadt Manaus im Amazonasgebiet, um mit dem Forschungsflugzeug HALO über dem Regenwald Messungen vorzunehmen, gemeinsam mit 70 weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Beeindruckend sei das gewesen, sagt Curtius, Professor an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Und es habe sich wirklich gelohnt: „Wir haben jetzt einen fantastischen Datensatz.“

Forschungsflüge auch über Westafrika und Australien

„CAFE-Brazil“ hat nichts mit Kaffee zu tun, wie man vielleicht meinen könnte. Die Abkürzung steht für die Expeditionsreihe „Chemistry of the Atmosphere Field Experiment“. Drei Teile hat diese große Expedition unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz. Die „Kampagne“ in Brasilien, wie die Forschenden es nennen, war bereits der zweite Teil. Im Jahr 2018 hatte das Team Daten über Westafrika und dem Atlantik (CAFE-Africa) gesammelt, Ende 2023 wird es von Cairns im Nordosten Australiens starten, um sich die Atmosphäre über dem Pazifik näher anzuschauen (CAFE-Pacific).

Beteiligt sind neben dem Max-Planck-Institut für Chemie und der Goethe-Universität Frankfurt auch das Forschungszentrum Jülich, das Karlsruher Institut für Technologie, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie die Universität von São Paulo und das brasilianische Institut für Weltraumforschung. Mit ihrer Expeditionsreihe wollen die Forschenden genauer verstehen, welche natürlichen chemischen Prozesse in der Atmosphäre ablaufen. Dafür fliegen sie über Regionen mit sauberen, unberührten Bedingungen – über den „Blue Ocean“ der Weltmeere und den „Green Ocean“ des größten tropischen Regenwaldes der Erde.

Für den Schutz des Regenwaldes ist das Projekt von großer Bedeutung.
Professor Paulo Artaxo, Universität São Paulo

Die gesammelten Ergebnisse werden miteinander verglichen – und auch mit Daten, die unter verschmutzten Bedingungen erhoben werden. So lässt sich ermitteln, wie sich zum Beispiel Luftverschmutzung auf die Atmosphäre auswirkt. Diese Grundlagenforschung ist wichtig, um die Klimamodelle, mit denen die Klimaforschung arbeitet, präziser zu machen. „Auch für den Schutz des Regenwaldes ist das Projekt von großer Bedeutung“, sagt der Physikprofessor Paulo Artaxo von der Universität São Paulo.

Losgehen sollte es in Brasilien eigentlich schon 2020. Doch dann kam die Corona-Pandemie dazwischen, die Expedition musste verschoben werden. Ende 2022 war es so weit. Der Zeitpunkt war ideal, denn im Dezember endet in Brasilien die Feuersaison, bevor im Januar die Regenzeit beginnt. Das heißt, es gibt nur noch wenige Buschbrände und damit die saubere Luft, die die Forschenden brauchen. Zu anderen Zeiten im Jahr, bei vielen Bränden, kann es über dem Amazonas durch die Rußpartikel so dreckig sein wie über einer Großstadt.

Bis zu zehn Stunden in der Luft

Mit dabei hatte das Team das Forschungsflugzeug HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft), das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt betrieben wird. Die Maschine kann bis zu zehn Stunden lang fliegen und Flughöhen von bis zu 15 Kilometern erreichen. Dadurch war es möglich, Messungen sowohl über der Baumgrenze in 300 Metern als auch in sehr großen Höhen vorzunehmen. Viermal umkreiste das Flugzeug im Tiefflug den Forschungsturm ATTO, an dem ähnliche Daten erhoben werden.

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Für die CAFE-Brazil-Mission wurde HALO mit 19 Messinstrumenten bestückt, die während des Flugs 51 verschiedene Parameter zum Boden sendeten, darunter Daten zu Aerosolen, flüchtigen organischen Verbindungen, Schwefel- und Stickoxiden, Kohlenstoffmonoxid, Methan, Ozon, freien Radikalen und Wasser. „Die Geräte haben wir teilweise selbst entwickelt“, erzählt Joachim Curtius. „Sie müssen mit extremen Bedingungen zurechtkommen, etwa hohe Luftfeuchte, große Druckunterschiede und sehr große Kälte in hohen Flughöhen.“ 

Durch die vielen Instrumente blieb nicht mehr viel Platz im Flugzeug, nur jeweils vier Personen konnten mitfliegen. Curtius übernahm die Flugplanung vom Boden aus. Sehr lang waren die Tage aber für alle. Bevor es in Manaus losging zu einem Zehn-Stunden-Flug, war ein vierstündiger Vorlauf erforderlich, um die Geräte zu prüfen und vorzubereiten. Im Anschluss an den Flug folgten zwei Stunden Nachbereitung. Um das Pensum zu stemmen, arbeiteten die Forschenden in zwei Schichten und legten zwischendurch auch Tage am Boden ein. Insgesamt absolvierten sie 143 Flugstunden, einige davon in der Nacht.

Die Messdaten werden über Jahre hinweg neue Erkenntnisse liefern.
Professor Dr. Jos Lelieveld, Max-Planck-Institut für Chemie

 Ein Fokus waren Gewitter, die es in der Regenzeit im Amazonasgebiet nahezu jeden Tag gibt. Mit Unterstützung brasilianischer Meteorologen gab es jeden Morgen ein Wetter-Briefing, sodass das Flugzeug gezielt in Gewitterwolken hineingesteuert werden konnte. Dort gibt es sehr starke Aufwinde. Wie in einem Aufzug werden dabei Partikel aus Spurengasen, die der Regenwald ausstößt, hochgepumpt. „Für diesen 'Outflow' haben wir uns besonders interessiert“, sagt Curtius. In der Atmosphäre verändern sich die Partikel chemisch und werden damit zu sogenannten Kondensationskeimen. Diese sind nötig, damit sich Regentropfen bilden können. Für das Verständnis der Biosphäre Regenwald ist das von großer Bedeutung.

Seit der Rückkehr des Teams Ende Januar 2023 läuft die Auswertung der Daten. Erste Ergebnisse sind gegen Ende des Jahres zu erwarten. Kampagnenleiter Professor Dr. Jos Lelieveld vom Max-Planck-Institut für Chemie ist sich sicher: „Die Messdaten werden über Jahre hinweg neue Erkenntnisse liefern.“