Einfache Lebensretter
Corona macht erfinderisch: Wie deutsche Unis mit kleinen Innovationen dazu beitragen, die Pandemie zu bewältigen.
Forschung braucht Zeit. In der Corona-Krise zeigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an deutschen Universitäten, dass sie auch anders können: In Höchstgeschwindigkeit entwickeln sie Innovationen, die im Kampf gegen die Pandemie den entscheidenden Unterschied machen könnten.
Philipps-Universität Marburg: „The Breathing Project“
Kaum zwei Wochen benötigte das „Breathing Project“ von der ersten Skizze bis zum einsatzreifen Produkt. Die Idee der 30 Forschenden der Philipps-Universität Marburg: kostengünstige Beatmungsgeräte. Entstanden sind zwei Versionen. Die eine setzt auf in Deutschland vielfach vorhandene Geräte für Schlafapnoe-Patienten und passt sie technisch leicht an. Für Notfallpatienten sind sie nicht geeignet, aber in einer späteren Phase könnten sie hilfreich sein, attestieren Ärzte. Die zweite Lösung basiert auf „Ambu-Bags“ zur Ersten Hilfe – einfachen Atemmasken, durch einen Schlauch verbunden mit einem kleinen Ballon, der per Hand zusammengedrückt wird. Die Forscher haben unter anderem mit Material aus dem Baumarkt eine Apparatur konstruiert, die den Ballon mechanisch zusammendrückt. „Das kann man in jedem Land der Welt in einer Autowerkstatt nachbauen“, sagt Physik-Professor Martin Koch.
TU Berlin: Ersatzteile aus dem 3D-Drucker
Manchmal hängen Menschenleben von einem winzigen Ventil ab: Ist das kleine Teil verschlissen, kann das ganze Beatmungsgerät nicht benutzt werden. Vor diesem Hintergrund bat die EU-Kommission 3D-Fachleute um Unterstützung. Ben Jastram und seine Kollegen vom 3D-Labor an der Technischen Universität (TU) Berlin fanden das interessant. „Theoretisch ist es möglich, mit 3D-Druck Ersatzteile herzustellen und Engpässe zu überbrücken.“ Mit dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung und der Charité sowie mehreren Unternehmen hat sich die TU zu einer Initiative zusammengetan. Die Partner haben Kontakt zu mehreren tausend 3D-Anlagen weltweit, so dass die Teile dort hergestellt werden könnten, wo es Bedarf gibt.
OTH Regensburg: Schutz vor Ansteckung
Unausweichlicher Kontakt: Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegepersonal haben ein besonders hohes Risiko, sich mit dem Sars-CoV-2-Virus zu infizieren. Gerade beim Intubieren und Beatmen ist die Gefahr groß – doch wo genau lauert sie? Was passiert etwa beim Wechsel von der Beatmung mit Maske auf den Tubus? Oder wenn ein Patient hustet? Solchen Fragen geht ein Forscherteam der OTH Regensburg mit optischen Strömungsmesstechniken auf die Spur. Mit Übungspuppen stellen die Forscher normales Atmen und Husten nach. Durch Rauchvisualisierung und andere Verfahren können sie nachvollziehen, wo aus Mundschutz oder Beatmungsmasken Atemluft entweicht und wie sich Viren im Raum verteilen. Aus den Ergebnissen erstellt das Team, das für die Versuchsreihe mit zwei Unikliniken und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt kooperiert, Handlungsempfehlungen für Krankenhäuser.