Bestens vernetzt
Spitzenforschung im „SpinNet“: Die Universität Mainz und die Stanford University verbindet eine anspruchsvolle Partnerschaft.
Das Herz der Spin-Forschung verbirgt sich hinter dicken Glaswänden. Um hinein zu dürfen, muss Frederick Casper einen Kittel, Haube und Überschuhe anziehen: Hier muss alles staubfrei bleiben. „Das, was wir hier erforschen, davon sieht man fast gar nichts“, sagt er entschuldigend. „Wie so oft in Physik und Chemie spielt sich das in den Kammern ab und ist für das Auge nicht sichtbar.“
Frederick Casper ist Festkörper-Chemiker und koordiniert an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz (JGU) mit Physikern zusammen ein Projekt, in dem es um eben jenes „nicht Sichtbare“ geht: den Eigendrehimpuls von Teilchen, genannt Spin. Masterstudierende und Doktoranden der JGU forschen seit zwei Jahren im Projekt „SpinNet“ mit Wissenschaftlern der amerikanischen Elite-Universität Stanford und der japanischen Tohoku University daran, eine energiesparende Informationstechnik auf Grundlage der Spintronik zu entwickeln. Das Netzwerk bündelt Wissen, schafft optimale Forschungsbedingungen und ermöglicht den Wissenschaftlern, Teile ihres Studiums oder ihrer Promotion im Ausland zu verbringen. „Wissenschaft ist international“, sagt Michael Fuchs. Er ist Geschäftsführer der Graduiertenschule „Materials Science in Mainz (MAINZ)“, einem in der Exzellenzinitiative des Bundes geförderten Programm der JGU, das seit fast zehn Jahren Doktoranden auf ihre Karriere vorbereitet. Über die Jahre hat sich die Graduiertenschule ein internationales Netzwerk erarbeitet – auf diese Kontakte konnte SpinNet aufbauen. Es sei unerlässlich, ins Ausland zu gehen, wenn man später in der Wissenschaft arbeiten möchte, sagt Fuchs. „Keiner kann in der Theorie lernen, was er dort mitbekommt.“
Die USA sind für Studierende und Doktoranden mit Interesse an der Spintronik besonders attraktiv. Nicht nur, dass mit der Universität Stanford eine der forschungsstärksten und renommiertesten Universitäten der Welt Teil des Netzwerkes ist. In Amerika laufen zudem große Forschungsprogramme zur Spintronik. Die IT-Industrie sucht nach einer Alternative zur Elektronik in IT-Bauteilen, die die Ladung der Elektronen nutzt.
Spintronik setzt auf den Eigendrehimpuls der Elektronen für die Informationsverarbeitung – das spart Energie und Platz. Als Einrichtung zur Grundlagenforschung ist das IBM Almaden Research Center in San José Teil des SpinNet-Netzwerkes in Amerika. „Die Arbeit an der Schnittstelle von Grundlagenforschung und angewandter Forschung ist extrem spannend“, sagt Mathias Kläui, Professor an der JGU, der selbst als Postdoc bei IBM gearbeitet und SpinNet ins Leben gerufen hat. Die Zusammenarbeit mit der Industrie gebe den Studierenden eine neue Perspektive.
Doch SpinNet hat einen weiteren Hintergrund: Die benötigten Messgeräte sind extrem teuer, für eine Universität allein kaum zu stemmen. Kooperation heißt hier das Zauberwort. Shoucheng Zhang, Physikprofessor an der Stanford University und Mitinitiator von SpinNet, nennt Zusammenarbeit „den einzigen Weg, zukunftsorientiert zu arbeiten“. Claudia Felser, die einst die Graduiertenschule MAINZ aufbaute und damit einen Grundstein für SpinNet legte, erinnert sich gut daran, wie sie und Shoucheng Zhang 2008 auf die Idee kamen, zusammenzuarbeiten: „Neue Materialien als Modellsysteme für Quantenphänomene sind durch Shoucheng Zhangs Forschung populär geworden. In diesem Sinne waren er, der Theoretiker, und ich, die Chemikerin, eine einmalige Kombination“, sagt die heutige Direktorin am Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden.
Noch bis 2016 fördert der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) das SpinNet mit einer Million Euro aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Projektkoordinator Frederick Casper betont: „Von wissenschaftlicher Seite her gibt es keinen Endpunkt. Jeder Doktorand erreicht ja etwas mit seiner Doktorarbeit.“ Jede Veröffentlichung bringt die Spintronik-Forschung weiter.