„Wie beim Arzt“
Wie der Kölner Professor Hans Leisen „Tempeldoktor“ in Asien wurde. Ein Interview.
Herr Professor Leisen, Sie bereiten gerade ein besonderes Highlight im Rahmen Ihrer Restaurierungsarbeiten an Angkor in Kambodscha vor. Was ist geplant?
Im Rahmen der jährlichen Tagung des Internationalen Koordinierungskomitees feiern wir vom 13. bis 15. Dezember „25 Jahre Welterbe Angkor“ und „20 Jahre German Apsara Conservation Project“. Mir ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig, dass das Wissen weitergegeben wird. Deshalb veranstalten wir zu diesem Anlass ein „Symposium on Conservation in Angkor“. Ein von uns ausgebildetes Team soll an die lokalen Behörden übergeben werden.
Erinnern Sie sich noch an die Anfänge?
Ja, genau! Ich bin 1995 das erste Mal mit einem Kollegen von der FH Köln nach Angkor gereist. Er hat fotografiert und ich habe Untersuchungen zum Zustand der Tempelanlagen gemacht. Dabei kamen schwere Schäden zutage, so dass das Projekt schnell ausgeweitet wurde.
Über welche besondere Expertise verfügen Sie?
Meine Frau, die mich immer bei meinen Projekten begleitet hat, und ich sind Geowissenschaftler. Wir beschäftigen uns mit der Verwitterung und Konservierung von Stein, Ziegel und Stuck.
Sie haben sich selbst einmal als „Tempeldoktor“ bezeichnet. Wie geht es Ihrem Patienten Angkor heute?
Sie könnten mich auch fragen: Wie geht es Ihrem 1000-jährigen Patienten? Ebenso wie Ärzte können wir den Alterungsprozess nur verlangsamen. Entscheidend ist jetzt die nachhaltige Pflege. Sonst wird es schnell dramatisch.
Was war konkret die Diagnose von Angkor?
Bauschädliche Salze hatten sich in den Sandstein gefressen, Wasser war eingedrungen und ließ die Tonmineralien im Sandstein aufquellen und zusammenziehen. Das zerstört im Lauf der Zeit jeden Stein. Sie können sich das wie bei einer alten Zwiebel vorstellen. Die Schale, also das Relief, sieht von außen noch gut aus. Innerlich ist sie abgelöst, das Relief fällt ab.
Was macht man dagegen?
Es gibt kein Allheilmittel, jede Behandlung ist individuell. Zunächst muss man die Schäden untersuchen, dokumentieren, Materialien entwickeln und testen. In Angkor haben wir eine von uns konzipierte Mörtelmischung injiziert, um die Zerrüttungszonen zu stabilisieren und die Schale anzubinden.
Sie haben auch in Ayutthaya/Thailand und Borobudur/Indonesien gearbeitet. Wo lagen da die Probleme?
In Ayutthaya hatte der Fluss Chao Praya 2011 die Tempelstadt überflutet und unter anderem dem 500 Jahre alten Wat Ratchaburana-Tempel zugesetzt. Wir haben dort den Stuck konserviert. In Borobudur auf Java hat 2010 ein Vulkanausbruch die Tempelanlage mit Asche bedeckt. Dort war die Aufgabe also wieder eine andere.
Sie sind seit 2013 emeritiert. War’s das jetzt?
Moment, Anfang nächsten Jahres reisen wir nach Bagan, der alten Königsstadt in Myanmar. Sie soll Welterbe werden. Aber erst einmal muss fachgerecht konserviert und restauriert werden. Mit Zementmörteln und Kunststoffen ist dort in den vergangenen Jahren einiges falsch gemacht worden.
Interview: Martin Orth