Netzwerken als Teil der beruflichen DNA
Digitale Netzwerke und Social Media sind heute aus dem Wissenschaftsbetrieb nicht mehr wegzudenken. Regelmäßiges Posten ist auch für die eigene Karriere unerlässlich.
Umweltverträgliches Abfallmanagement in Entwicklungsländern – damit beschäftigt sich der Inder Rajat Rai Handa. Sein Forschungsprojekt kreist um die Frage, wie das deutsche Konzept, aus Abfall Energie herzustellen, in Indien Anwendung finden können. Der studierte Physiker und Politikwissenschaftler ist gut vernetzt und hat schon lange sein Profil im Berufsnetzwerk linkedin.com veröffentlicht. Darüber hinaus postet er auf der Blogger-Plattform Medium.com, ist Mitglied des Deutschland-Alumni-Netzwerks und als Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung auch in deren Netzwerk aktiv.
Freier Austausch auf Twitter
Netzwerken ist Teil von Rajat Rai Handas beruflicher DNA. Auf welcher digitalen Plattform oder in welchem sozialen Netzwerk er aktiv ist, entscheidet für den 28-Jährigen der Parameter ‚freier Zugang‘. „Wissenschaftliche Netzwerke wie researchgate.net oder academia.edu sind für die Forschung unerlässlich, doch leider nicht für alle Menschen zugänglich“, bemängelt er. Handa ist dafür, „alle wissenschaftlichen Studien und Ergebnisse mit der Öffentlichkeit zu teilen und die Autoren frei zu vernetzen“. Wie zum Beispiel auf Twitter. Handa ist seit sechs Jahren auf der Social-Media-Plattform aktiv. Er versorgt seine 800 Follower mit Fakten über das globale Abfallproblem, berichtet über seine Projektarbeit und profitiert im Gegenzug von anderen wissenschaftlichen Tweets zu seinem Thema.
„Auf Twitter bekommt man die neuesten wissenschaftlichen Updates in Echtzeit, das ist im Vergleich zu anderen Netzwerken einmalig“, beschreibt Handa die Vorzüge der Plattform. Dass Twitter für einen Beitrag nur 280 Zeichen zur Verfügung stellt, ist für Rajat Hai Handa kein Problem, im Gegenteil: „Wissenschaftler müssen in der Lage sein, ihre Forschungsergebnisse kurz und prägnant darzustellen. Gerade bei Themen mit globaler Bedeutung erreicht man so viel mehr Menschen, die diese Themen auch angehen.“
Mehr Innovation durch wissenschaftliches Netzwerken
Wissenschaftliches Netzwerken ist längst Teil der Social-Media-Familie geworden. Das Magazin Nature ermittelte 2018, dass 95 Prozent der befragten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mindestens eine Social-Media-Plattform regelmäßig nutzen. „Kein Wunder“, meint Professorin Isabella Peters, Leiterin der Arbeitsgruppe Web Science der Uni Kiel und der ZBW Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft. So ergänzten „soziale Netzwerke das traditionelle Publikationssystem, indem sie wissenschaftliche Inhalte jeglicher Art aufnehmen, ihr zügiges Publizieren und Kommentieren erlauben und damit die Innovationsfähigkeit der Wissenschaft beschleunigen und steigern.“ Außerdem erleichtere Social Media die Kontaktpflege und mache die Vernetzung für andere Nutzerinnen und Nutzer sichtbar.
Jobs und Tipps für Stipendien auf Social Media
Das Posten und Teilen der eigenen Arbeit wirkt wie eine detaillierte Visitenkarte, mit der man die eigene Karriere gestalten kann. Peters rät jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, ihre Artikel schon im Anfangsstadium in den sozialen Netzwerken öffentlich zu machen und so frühzeitig Feedback zu bekommen. „Unter Umständen können die Forscherinnen und Forscher damit Zeit und Geld sparen.“
Und das Kommunizieren der eigenen Arbeit in den sozialen Netzwerken macht Arbeitgeber aufmerksam. Rajat Rai Handa berichtet, dass „die Hälfte seiner Jobs über Twitter zustande kam.“ In einem seiner Posts bei Medium.com hat er die Bewerbung und Zusage als Journalist bei der Deutschen Welle dokumentiert. Für sein Stipendium bei der Humboldt-Stiftung profitierte Rajat Rai Handa wiederum von einem Post einer ehemaligen Studienkollegin aus Berlin. Sie erklärte darin, wie genau man sich um das Stipendium bewirbt. „Daraufhin habe ich sie kontaktiert“, erzählt der heutige Humboldtianer.
Für jedes wissenschaftliche Gebiet die passende Plattform
Auch für Cyntia Oliveira ist Twitter das Medium für Kontakte und Inspiration durch die Community. Die Humboldt-Stipendiatin forscht bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und untersucht derzeit, wie Brasilien von den Erfahrungen der deutschen Exzellenz-Initiative lernen kann. Erst kürzlich hat sie wieder einmal erfahren, wie hilfreich Social Media sein kann: „Ich habe vor ein paar Wochen meine Erfahrungen bei einem Meeting auf Twitter geteilt und viel wertvolles Feedback bekommen.“
Auf Twitter hat Cyntia Oliveira „Follower, die sich einfach nur für meine Arbeit interessieren oder die sich mit verwandten Themen beschäftigen“. Dennoch ist Cyntia auch in anderen Netzwerken aktiv. Sie postet auf academia.edu, schreibt für den Echer-Blog, ist Teil des Humboldt-Netzwerkes und des Alumniportals. Diese geschlossenen Netzwerke haben für Oliveira durchaus ihre Berechtigung. „Auf academia.edu oder echer.org tausche ich mich mit Wissenschaftlern aus, die in Beziehung zu meinen Themen stehen, das bringt für mich den Mehrwert“. Cyntia rät daher Netzwerk-Einsteigern, vorher die für sie passenden Plattformen zu ermitteln.
Übrigens: Die Covid-Krise hat dem wissenschaftlichen Netzwerken enorm Auftrieb gegeben, davon sind Rajat Rai Handa und Cyntia Oliveira überzeugt. Beide haben bei Twitter deutlich mehr Follower hinzugewonnen.