Rimaa Dschabarin fährt mit dem Zeigefinger über die feine Maserung einer Olivenholzscheibe. Auf dem Bildschirm ihres Laptops sind bunte Kurventabellen. Die 17-jährige Schülerin aus Um El Fachm in Nordisrael hat an einer neuen Methode geforscht, um das Alter von Olivenbäumen besser bestimmen zu können. Das wäre eine enorme Erleichterung für Archäologen im ganzen Mittelmeerraum, wo Olivenholz seit Jahrtausenden ein bevorzugtes Baumaterial ist. Mit ihren Ergebnissen hat Dschabarin beim israelischen „Young Scientist Contest 2015“ einen Preis gewonnen.
Dschabarin gehört zu den jüngsten Teilnehmern der deutsch-israelischen Wissenschaftszusammenarbeit, die bereits länger besteht als die diplomatischen Beziehungen beider Länder. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat diese Kooperation mit mehreren hundert Millionen Euro gefördert, sei es in der Minerva-Stiftung, in der Interministeriellen Forschungskooperation, in der German Israeli Foundation (GIF) oder der Deutsch-Israelischen Projektförderung (DIP) und dem Stiftungsfonds Martin-Buber-Gesellschaft. Die Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses spielte dabei von Anfang an eine besondere Rolle.
Der Genetiker Peter Angel koordiniert am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg die Zusammenarbeit mit Israel. Schon seit 1998 unterhält der Forscher Kontakte zu israelischen Kollegen. „Das Weizmann-Institut in Rehovot und die Hebräische Universität in Jerusalem (HUJI) haben viel Expertise in der Krebsforschung und es gibt ein hohes Maß an Komplementarität mit dem, was wir am DKFZ machen“, berichtet Angel. „Es sind extrem engagierte Wissenschaftler, da stimmt die Qualität.“
Die Krebsforschung ist ein Schwerpunkt der Kooperation, die das BMBF und das israelische Wissenschaftsministerium (MOST) bereits 1973 vereinbarten. Andere Felder der Zusammenarbeit zwischen den Ministerien sind Wassertechnologie, Meeres- und Geowissenschaften sowie die zivile Sicherheitsforschung. Später kamen gemeinsame Projekte des BMBF und des israelischen Ministeriums für Industrie, Handel und Arbeit (MOITAL) hinzu. So organisieren diese beiden seit 2012 auch einen Austausch von Auszubildenden.
Angel lobt die „familiäre Atmosphäre“ zum Beispiel in den bilateralen Workshops: „Wir präsentieren dort auch unveröffentlichte Ergebnisse“ – angesichts des starken Konkurrenzverhältnisses unter Wissenschaftlern ein wirklicher Vertrauensbeweis. Fünf deutsch-israelische Tandemprojekte werden jährlich von einem Wissenschaftskomitee ausgewählt und für drei Jahre gefördert. Wegen des Erfolgs wurde die jährliche Fördersumme noch einmal um ein Drittel aufgestockt und beträgt künftig knapp 1,5 Millionen Euro. Damit können weitere drei Forschungsprojekte pro Jahr finanziert werden, erklärt Angel.
Der Nachwuchs hat schließlich Großes vor. „Ich träume davon, einmal Astronautin zu werden“, verrät Rimaa Dschabarin am Rande der Präsentation im Finale des „Young Scientist Contest“ in Jerusalem. Der Wettbewerb ist dem deutschen „Jugend forscht“ vergleichbar und wird seit 18 Jahren vom Bloomfield Science Museum in Jerusalem ausgetragen. Die israelische Araberin Dschabarin wird zusammen mit Noa Chen aus Cholon, die sich mit der Figur der Göttin Aschera in jüdischen Schriften beschäftigte, und Taʼili Hardiman aus Jerusalem, die die Ästhetik des Bösen im Film untersuchte, im Herbst 2015 eine Rundreise zu deutschen Universitäten unternehmen und sich über Studienmöglichkeiten informieren. Der Aufenthalt ist der Sonderpreis, den das BMBF jährlich an drei Wettbewerbsteilnehmer vergibt.
Verschiedene Formate verfolgen das Ziel, den Nachwuchs mit Spitzenforschern zusammenzubringen und den interdisziplinären Austausch zu fördern. Zum Beispiel die erste deutsch-israelische „Battery School“. Sie besteht aus zwei Symposien, an denen je 25 Doktoranden aus Deutschland und Israel teilnehmen. Da elektrische Energie aus Sonne, Wasser und Wind zwar reichlich vorhanden ist, aber noch nicht ausreichend gespeichert werden kann, müssen neue Batterietypen und -Konzepte entwickelt werden. Beteiligt sind unter anderem das MEET Batterieforschungszentrum Münster, die Justus-Liebig-Universität Gießen, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die Universitäten Tel Aviv (TAU), Bar-Ilan und das Technion. Oder auch die „German-Israeli Winter/Summer Schools“ des Projektes DESERVE. DESERVE steht für „Dead Sea Research Venue“ und wird von mehreren Helmholtz-Zentren koordiniert. Das Projekt, das auch jordanische und palästinensische Wissenschaftler einbindet, untersucht das Wetter, Klimaveränderungen und den Wasserhaushalt am Toten Meer. Es finanziert den teilnehmenden Master- und Promotionsstudenten sowie Post-Docs bis zu zweiwöchige Tagungsaufenthalte im deutschsprachigen Raum oder in Israel. Der Meteorologe Pinhas Alpert von der TAU etwa will mittels Mikrowellen, wie sie Smartphones verwenden, die Genauigkeit von Regenvorhersagen um ein Vielfaches verbessern.
Einen Brückenschlag zwischen Grundlagenforschung und angewandter Wissenschaft unternimmt auch die sogenannte personalisierte Medizin. Die Helmholtz-Gemeinschaft unterstützt beginnend mit 2015 einige ausgewählte deutsch-israelische Projekte in einer Pilotphase mit 900.000 Euro. Wie Angel vom DKFZ berichtet, wollen die Forscher die Wirksamkeit von Medikamenten erhöhen, indem sie auch das genetische Profil der Erkrankung berücksichtigen. Verbesserte Therapien sollen nicht nur Krebs bekämpfen, sondern auch bei Alzheimer oder Infektionskrankheiten wie AIDS helfen.
Auch das Startup „SynVaccine“ hat sich der Bekämpfung von AIDS verschrieben. Sein Ziel: Synthetische Impfstoffe im Labor herstellen, die vor unheilbaren Krankheiten schützen. Einer der Gründer von „SynVaccine“ ist der Biologe Tamir Tuller von der Tel Aviv University, der mit seinem Kollegen Richard Neher vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen im Jahr 2012 den ARCHES-Preis für Forschungen zum HI-Virus erhielt. Die mit je 200.000 Euro dotierte Auszeichnung vergibt die Minerva-Stiftung an gemischte Teams aus beiden Ländern, deren Forschungen spürbare Auswirkungen auf ihrem Gebiet versprechen.
„SynVaccine“ ist gleich durchgestartet: Auf der vom BMBF unterstützten Konferenz „Falling Walls“ in Berlin im November 2014 wurde es als „vielversprechende Unternehmensgründung“ gewürdigt. „Viele haben Angst zu träumen“, hat die Schülerin Dschabarin beobachtet. Ihr soll das nicht passieren.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des BMBF