Zoonosen erforschen – Gesundheit fördern
Zoonosen sind nicht erst seit der Corona-Pandemie ein Thema. Ein Verbund aus deutschen und internationalen Forschenden untersucht sie in Westafrika.
Abstand halten, Hygieneregeln beachten, Maske tragen: Diese Grundsätze fasst die sogenannte AHA-Regel zusammen, die in Deutschland während der Corona-Pandemie eingeführt wurde. Für Professor Fabian Leendertz ist sie schon länger wichtig. Der Veterinärmediziner ist beim Taï Chimpanzee Project (TCP) in Côte d'Ivoir für Gesundheitsfragen zuständig. Seit fast 45 Jahren erforscht das Projekt die Biologie der Schimpansen im Taï-Nationalpark. Dr. Roman Wittig, Forschungsdirektor am Insitut des Sciences Cognitives des Centre National de la Recherche Scientifique in Lyon und Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, leitet es. An dieses Institut war das TCP gekommen, als der Verhaltensforscher Professor Christophe Boesch, der es mit seiner Frau gegründet hatte, dort Ende der 1990er-Jahre Direktor der Abteilung Primatologie wurde. Über ihn stieß auch Leendertz in dieser Zeit auf das Projekt. Boesch erzählte ihm, dass viele Schimpansen sterben würden, doch er wüsste nicht woran. In Côte d'Ivoir erforschte Leendertz daraufhin, auch in Zusammenarbeit mit dem Robert-Koch-Institut (RKI), die Todesursachen.
Erfolg in der Infektionsforschung
Zum einen stieß er auf Atemwegserkrankungen. „Es handelte sich um menschliche Erreger, die auf die Tiere übertragen wurden“, sagt Leendertz, der etwa Erkältungsviren fand, die für Menschen recht ungefährlich sind, aber für Affen tödlich sein können. „Das war ein ziemlicher Paukenschlag, denn Verhaltensforscher sind ja eigentlich da, um die Tiere zu schützen, und nicht, um sie zu gefährden.“ Doch das TCP konnte zeigen, dass der Schutzeffekt durch die Forschenden, die etwa Wilderer fernhalten, für die Schimpansen größer ist als das Risiko, das sie darstellen. „Wir konnten außerdem zeigen, dass man gegen die Gefahr der Krankheitsübertragungen etwas machen kann“, sagt Leendertz. „2008 führten wir die AHA-Regeln im Umgang mit den Schimpansen ein.“ Inzwischen seien Hygienemaßnahmen auf der Agenda sämtlicher Menschenaffen-Projekte. Außerdem entdeckte Leendertz einen neuen Milzbrand-Erreger bei den Schimpansen, der auch für Menschen gefährlich sein kann.
Welche Gefahr von Zoonosen ausgeht
Zoonosen sind Infektionskrankheiten, die von Bakterien, Parasiten, infektiösen Proteinen, Pilzen oder Viren verursacht und wechselseitig zwischen Tier und Mensch übertragen werden können. AIDS, Borreliose, Ebola, Masern, MERS, Vogelgrippe, West-Nil-Fieber oder Zika: Die Liste der Beispiele ist lang. Auch Covid-19 gehört dazu und hat erst kürzlich gezeigt: Einige Zoonosen haben das Potenzial, Pandemien auszulösen. Durch die AHA-Regel konnte beim TCP aber verhindert werden, dass sich die Schimpansen mit SARS-CoV-2 infizierten, berichtet Leendertz.
Internationale Zusammenarbeit im Taï-Nationalpark
Neben Verhaltensforschenden sind stets ein bis zwei Veterinärmediziner im Taï-Nationalpark. Über das Centre Suisse de Recherches Scientifiques in Abidjan läuft das Projektmanagement des TCP in Côte d'Ivoir. Lokale Mitarbeitende aus den umliegenden Dörfern nehmen Verhaltensdaten der Schimpansen auf und melden, wenn ihnen im Hinblick auf die Gesundheit der Tiere etwas auffällt. Auch internationale Studierende, ivorische Doktoranden und Labore sowie das Universitätskrankenhaus Bouaké haben dazu beigetragen, dass die Forschenden über die Jahre wichtige Erkenntnisse gewinnen konnten. „Das Projekt hat uns gezeigt, dass wir Menschen ein sehr wichtiges Reservoir für relevante Krankheitserreger für bedrohte Tierarten wie die Schimpansen sind“, sagt Leendertz. Doch für ihn haben die Affen, die dem Menschen genetisch sehr ähnlich sind, auch eine Indikatorfunktion. „Alles, was einen Schimpansen krank macht oder tötet, ist wahrscheinlich ein relevanter Erreger für uns Menschen.“
Wie die Gesundheit von Mensch und Umwelt zusammenhängt
Dass die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt eng zusammenhängt, drückt das interdisziplinäre One Health-Konzept aus. Leendertz, der zuvor lange am RKI gearbeitet hat, ist seit 2021 Gründungsdirektor des Helmholtz-Instituts für One Health in Greifswald und Professor für One Health an der dortigen Universität. Dass der Mensch immer weiter in den Lebensraum der Tiere vordringt, kann die Verbreitung von Zoonosen begünstigen. „Einen Beitrag zur Prävention leistet auch die enge Zusammenarbeit mit Anthropologen und Communities vor Ort, um basierend auf Daten, die wir erheben, zu zeigen, wo es Risiken gibt.“ Leendertz weiß, dass Sensibilität nötig ist, wenn es etwa um Themen wie die seit Generationen betriebene traditionelle Jagd geht.
Einsatz für Artenvielfalt und gegen Zoonosen
Problematisch ist für ihn vor allem die kommerzielle Jagd nach „Bushmeat“, das alle essbaren wildlebenden Tiere bezeichnet. Sie habe nichts mit der traditionellen Jagd für den Eigenbedarf zu tun. Auch Tierschützer erkennen im Wildtierhandel eine Gefahr. „Das schwächt die Artenvielfalt, die Gesundheit der Tiere und damit die Resilienz ganzer Lebensräume“, sagt Robert Kless, Länderdirektor Deutschland beim International Fund for Animal Welfare (IFAW). Er sieht hier eine Ursache für die Ausbreitung von Zoonosen. „Der Mensch dringt immer weiter in die Lebensräume von Wildtieren ein und zerstört sie. Sei es, um Ressourcen zu bekommen, also etwa um Wälder abzuholzen, sei es, um Fleisch oder Trophäen von Wildtieren zu gewinnen.“ Die Corona-Pandemie habe in der europäischen Politik das Bewusstsein für die Gefahren des Wildtierhandels geschärft. „Diese Sensibilität sollte nicht wieder verpuffen“, sagt Kless.