Der Wasserstoffdiplomat
Quentin Blommaert leitet das deutsche Wasserstoffdiplomatiebüro in Saudi-Arabien und setzt sich für eine klimaneutrale Energiewirtschaft ein.
Sie leben internationale Vernetzung: Wir stellen Menschen vor, die für Deutschlands Partnerschaften weltweit stehen. Denn globale Aufgaben lassen sich nur gemeinsam bewältigen.
Wer gerne mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, hat es in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad mit sommerlichen Tagesdurchschnittstemperaturen von mehr als 40 Grad Celsius schwer. Immerhin werden neue Busstrecken und bald auch eine U-Bahn eingeführt, sagt Quentin Blommaert, der sein in der belgischen Heimat zurückgelassenes Fahrrad zwar vermisst, sich in Riad aber trotzdem wohlfühlt. Dabei spielt für ihn Nachhaltigkeit nicht nur auf dem Weg zur Arbeit eine Rolle, sondern auch, wenn er angekommen ist: Er leitet das deutsche Wasserstoffdiplomatiebüro in Saudi-Arabien.
Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle für die deutsche Energiewende. Ohne ihn, sagt Blommaert, sind die Dekarbonisierungsziele nicht so leicht zu erreichen. Deutschland hat daher eine Wasserstoffstrategie entwickelt. Im Auftrag des Auswärtigen Amts baut die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH die Energiekooperation mit Schlüsselländern aus. In Wasserstoffdiplomatiebüros in Angola, Kasachstan, Kenia, Kolumbien, Nigeria, im Oman, in der Ukraine und in Saudi-Arabien wird der Dialog mit strategischen Partnerländern gefördert. Das Ziel ist eine breitere und CO2-ärmere Energieindustrie. Es geht dabei also um nicht weniger als den Weg zu einer klimaneutralen Weltwirtschaft.
Sprache und Energie
Eine große Aufgabe für ein kleines Team. Das von der GIZ betriebene „H2-diplo“-Büro liegt im Norden Riads im Bezirk Al Arid. Im zweiten Stock eines unauffälligen Bürogebäudes arbeitet Blommaert mit seinem Kollegen und GIZ-Berater Faris Alanezi an der Energieaußenpolitik und Wasserstoffdiplomatie. Was verbirgt sich hinter diesen großen Begriffen? Die Wasserstoffdiplomatiebüros ermöglichen einen Austausch zu klimapolitischen Themen mit lokalen Institutionen. Sie erstellen Analysen und Informationsunterlagen zu geopolitischen und energieaußenpolitischen Fragen, beraten Unternehmen und laden zu Gesprächsrunden und Diskussionsveranstaltungen ein. Diplomatie, als Kunst des Verhandelns, lebt vom Gespräch.
Mit Worten kann Blommaert umgehen. Er hat in Belgien moderne Philologie, also Sprachwissenschaft, studiert und einen Master of Business Administration mit dem Fokus auf Erneuerbare Energien in Deutschland erworben. „Sprache und Energie, das finde ich eine gute Kombination. Ich arbeite wie eine Art Energiephilologe“, sagt Blommaert. Die Schnittstelle zwischen wortreicher Politik und Diplomatie und technischer Energiewirtschaft und Wissenschaft sei essenziell. „Wir sind global an einem Punkt, da müssen wir allumfassend kommunizieren. Wir müssen die anderen Länder wirklich verstehen und in ihren Bedarfen wahrnehmen. Und das geht nur über Dialog.“
Eine notwendige Kooperation
Energieversorgung ist eine geopolitische Angelegenheit. Das liegt daran, dass Ressourcen auf der Erde ungleich verteilt sind. Es gibt Länder, die den eigenen Energiebedarf aus heimischen Ressourcen nicht decken können, zum Beispiel Deutschland. Saudi-Arabien ist mit natürlichen Ressourcen gesegnet, unterirdisch mit Kohlenwasserstoffen, Öl und Gas, edel- und halbedlen Metallen, aber auch überirdisch mit massig Sonneneinstrahlung, viel Wind, großen Landflächen, einer niedrigen Bevölkerungsdichte und somit viel Platz für grüne Energieanlagen. „Das ist eine sehr komplementäre Kombination. Ein hochindustrialisiertes, jedoch energiearmes Land wie Deutschland trifft auf ein energiereiches und energieversiertes Versorgerland“, sagt Blommaert.
Ressourcen können unterschiedlicher Natur sein. „Deutschland hat dafür etwa eine herausragende Forschungslandschaft und kann diese nutzen, um Mehrwert in vielen Industriebereichen zu generieren“, sagt Blommaert. Zentral bei dem kooperativen Ansatz der „H2-diplo“-Büros sei es, effizient mit den zur Verfügung stehenden materiellen und immateriellen Ressourcen umzugehen. So profitiert Saudi-Arabien von der deutschen Expertise in Forschung und Industrie. Das als Öl-Riese bekannte Land möchte eine Führungsnation im Bereich der grünen Energien werden. Daran wirken auch deutsche Unternehmen mit. In dem Wasserstoffdiplomatiebüro werden solche Kooperationen eingeleitet.
Quentin Blommaert fühlt sich in Riad wohl. Nichtsdestotrotz bedeutete der Umzug auch eine Umstellung – etwa in den Essgewohnheiten. In einem wasserarmen Land wie Saudi-Arabien solle man nicht zu viel Pasta kochen, sagt Blommaert. Das Wasser werde danach schließlich weggeschüttet. Besser sei es, Lebensmittel zu wählen, die das Wasser aufsaugen, so wie Reis, Couscous oder Bulgur. Blommaert isst am liebsten regional und saisonal und möchte sich außerdem an das Land anpassen, in dem er lebt. Und dafür kann er sich, wenn er zu Besuch in Europa ist, gleich auf zwei Dinge freuen: auf sein Fahrrad und auf Pasta.