„Das ist ein Durchbruch!“
Beton aus Schutt und Reis: Wie ein deutsch-chinesisches Forschungsprojekt die Baubranche revolutionieren und zum Wiederaufbau in der Ukraine betragen könnte.
Kaum eine Industrie verschlingt so viele natürliche Ressourcen wie die Bauindustrie. Und immer noch werden zu wenige Materialien, die beispielsweise beim Abbruch bestehender Gebäude und Strukturen anfallen, wiederverwertet. Wie sich das ändern könnte, erforschen Expertinnen und Experten des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut WKI, zusammen mit deutschen und chinesischen Partnern. Im Interview erklärt Professor Libo Yan, Leiter des Projekts „ReMatBuilt“, warum die von ihm mitentwickelten hochleistungsfähigen Baustoffe aus recyceltem Bauschutt und Abfallmaterialien wie Reishülsen so revolutionär sind.
Herr Yan, was ist das Besondere an den neuen Baustoffen, die Sie und Ihr Team entwickelt haben?
Herkömmlicher Beton besteht in der Regel aus Zement und Kies. Der Abbau von Kies schädigt jedoch die Umwelt und die Ressourcen sind nicht unendlich. Zudem muss Kies oft über weite Strecken transportiert werden. Im Projekt „ReMatBuilt” verwenden wir statt Kies daher Bauschutt, also Beton- und Mauerwerksabfälle. Daraus stellen wir Recyclingbeton her, den wir mit natürlichen Pflanzenfasern wie Flachs und Holzspänen kombinieren, für die wir wiederum Altholz recyceln. Beide Komponenten – Bauschutt und Altholz – fallen beim Abriss von Gebäuden oder Bauwerken weltweit in großen Mengen an und werden bislang kaum recycelt. Ökologisch und ökonomisch ist unser Baustoff also eine sehr attraktive Alternative.
Welche weiteren positiven Eigenschaften hat der von ihrem Team entwickelte Recyclingbeton?
Er schont nicht nur endliche ökologische Ressourcen, sondern die Bausteine sind leichter als herkömmlicher Beton, fester, langlebiger und haben eine bessere Wärme- und Schalldämmung.
Ihre Forschung geht aber noch einen Schritt weiter: Ihrem Team ist es auch gelungen, einen vollwertigen Ersatz für Zement zu entwickeln.
Zement wird normalerweise aus Kalkstein, Ton und Quarzsand hergestellt und verursacht bei der Produktion hohe Kohlendioxid-Emissionen. Wir haben herausgefunden, dass sich die Asche von Reishülsen, die bei einem speziellen Verbrennungsprozess entsteht, hervorragend als Zementersatz eignet. Reis ist das meistverzehrte Nahrungsmittel der Welt, die Schalen wurde bislang jedoch kaum genutzt. Das ist ein Durchbruch!
Ihre Forschungsergebnisse klingen so bahnbrechend – warum wird dieser Beton noch nicht überall eingesetzt beziehungsweise wann ist damit zu rechnen?
Der Einsatz von rezyklierten Gesteinskörnungen im Bauwesen unterliegt in der Regel strengen Regelungen. In der aktualisierten deutschen Norm DIN 1045-2:2023-08 wurden nun aber Regelungen geschaffen, die den einfachen und damit praktischen Einsatz von rezyklierten Gesteinskörnungen insbesondere in der Betonklasse BK-N im Anwendungsbereich bis 25 Volumenprozent erlauben. Doch auch die Zertifizierung für die Verwendung von rezyklierten Gesteinskörnungen im Bauwesen ist häufig komplex und zeitaufwändig.
Wie kam es zum Aufbau des Projekts als deutsch-chinesische Forschungskooperation?
Im Rahmen der Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 gab es eine Ausschreibung „Bioeconomy International 2017” für internationale Verbundprojekte, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert werden. Wir haben sechs Projektpartner, vier aus Deutschland und zwei aus China.
Ihnen ist es besonders wichtig, dass die Lösungen, die Sie und Ihr Team entwickeln, den Menschen direkt und möglichst schnell zugutekommen. Welche Szenarien haben Sie dabei vor Augen?
Die Ergebnisse des ReMatBuilt-Projekts könnten eine schnelle Lösung für den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg sein. Der Krieg hat große Mengen an Schutt hinterlassen, und für den Wiederaufbau werden riesige Mengen an Baumaterialien benötigt. Die Verwendung von lokalem Bau- und Abbruchschutt für die Herstellung von neuem Beton oder anderen Baumaterialien könnte das Problem der Abfallentsorgung lösen und darüber hinaus natürliche Ressourcen und Bauzeit sparen. Die Ukraine ist einer der weltweit größten Exporteure von landwirtschaftlichen Produkten wie Weizen, Mais und Gerste. Wie unser Projekt zeigt, können die Pflanzenreste dieser Produkte als nachhaltige Alternative für Zement und als nachhaltige Isoliermaterialien für den Wiederaufbau verwendet werden. Darüber hinaus haben wir eine Anfrage von einer Gruppe des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Düren erhalten, mit lokalen Unternehmen zusammenzuarbeiten, um ein Pilotprojekt mit den Ergebnissen des ReMatBuilt-Projekts durchzuführen.