Vorteile für Windenergie
Ein Gemeinschaftsunternehmen des deutschen Energieversorgers Eon und des Sabanci-Konzerns setzt auf die ökologische Option.

Von Hügelkuppe zu Hügelkuppe, soweit das Auge reicht, ragt ein Windrad nach dem anderen in den Himmel. 52 Windräder sind es insgesamt, die in der Nähe der westtürkischen Stadt Balikesir in die Landschaft gepflanzt wurden – es ist der derzeit größte Windenergiepark der Türkei. „Die Anlage läuft prima“, sagt Nihat Ari, Leiter des siebenköpfigen Teams, das den Windpark der Firma Enerjisa vor Ort betreut.
Im Mai 2013 war der Windpark in der Nähe von Balikesir feierlich eröffnet worden. Mit dabei waren unter anderen der türkische Energieminister Taner Yildiz, die Vorstandsvorsitzende der Sabanci Holding, Güler Sabanci, und das zuständige Vorstandsmitglied des deutschen Energiekonzerns Eon, Jorgen Kildahl. Denn der Erbauer des Windparks, Enerjisa, ist ein Joint Venture des türkischen Großkonzerns Sabanci und des deutschen Energieriesen Eon. Beide halten 50 Prozent an Enerjisa. Ursprünglich gehörte der Eon-Anteil dem österreichischen Energiekonzern Verbund, aber kurz vor dem Bau des Balikesir-Windparks hatte Eon die Verbund-Anteile übernommen. Dahinter steckt die Eon-Strategie, sich vom deutschen Markt unabhängiger zu machen und stärker auf aufstrebende Schwellenländer wie Brasilien und eben die Türkei zu setzen.
Enerjisa passt perfekt in diese Strategie. Deshalb ist Jorgen Kildahl sehr zufrieden, als der größte türkische Windpark mit Hilfe von Eon ans Netz geht. „Das ist ein herausragender Tag für Eon“, sagte er in Balikesir. „Es ist der erste Windpark den wir mit Enerjisa eröffnen können, seit wir dort Partner geworden sind. Und es freut uns ganz besonders, dass es gleich der größte Park der Türkei ist. Enerjisa arbeitet hart daran, den wachsenden Strombedarf der Türkei mit klimafreundlicher Energie zu decken.“
Der Windenergiepark in Balikesir ist bereits das dritte große Windkraftprojekt von Enerjisa. Die anderen beiden stehen in den Taurusbergen am Mittelmeer und in der Nähe von Canakkale, am Ausgang der Dardanellen. Windkraft hat in der Türkei ein großes Potenzial, steckt aber im Vergleich zu Deutschland noch in den Kinderschuhen: Obwohl Experten davon ausgehen, dass das Windpotenzial der Türkei insgesamt dreimal so groß ist wie in Deutschland, sind die existierenden Anlagen noch an zwei Händen abzuzählen. Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke dominieren derzeit noch die staatlichen Planungen. Erneuerbare Energie liefern hauptsächlich Wasserkraftwerke. Der Bau von Staudämmen gehört zu den wichtigsten Energieprojekten des Landes, stößt aber auch auf immer mehr Widerstand. Dem zügigen Ausbau der Windenergie stehen dagegen bislang die geringe staatliche Förderung und ein wenig leistungsfähiges Stromnetz entgegen. Zwar hat die türkische Regierung 2011 ein Einspeisegesetz verabschiedet, das die Preise für Windenergie, die in die staatlichen Netze geleitet wird, festlegt, aber diese Vergütung liegt weit unter dem, was das deutsche „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ vorsieht.
Trotzdem ist Windenergie ein wachsender Markt in der Türkei; die ausgedehnten Küsten bieten beste Bedingungen. Deshalb wird am Marmarameer auch bereits an einem neuen Windpark gebaut, der noch größer als der Balikesir-Park werden soll. Enerjisa plant ebenfalls weitere Windparks, hat jetzt aber erst einmal den Bau eines neuen, umweltfreundlichen Gaskraftwerkes bei Siemens in Auftrag gegeben, das der Münchener Konzern nun am Südrand des Marmarameeres bauen wird.
Auch Eon hat weiter auf dem türkischen Markt expandiert. Im November 2013 teilte der Konzern mit, dass der Kauf der beiden türkischen Energieversorger Ayedas und Toroslar erfolgreich abgeschlossen sei. Damit versorgt das Joint Venture Enerjisa nun neun Millionen Kunden in der Türkei, mehr als Eon auf seinem Heimatmarkt Deutschland betreut. ▪
Jürgen Gottschlich