Häuser, die sich abheben
Warum Alexis Dornier, der Urenkel eines deutschen Flugzeugkonstrukteurs, Häuser auf Bali entwirft.
Eigentlich wollte Alexis Dornier nur einen Sommer lang auf Bali ausspannen, Berlin und sein Design-Unternehmen einfach mal hinter sich lassen und nichts tun. 2013 war das. Heute stehen etwa 20 Gebäude, die der 39-jährige deutsche Architekt entworfen hat, auf der indonesischen Insel im Indischen Ozean. Und Dornier beschäftigt inzwischen ein Team von 25 Gestaltern aus Indonesien, Deutschland und Indien.
Angefangen hat es mit einem Haus für einen Freund, der Dornier auf Bali eingeladen hatte. Das steht in einer Siedlung von Künstlern und Unternehmern aus aller Welt. Dornier mochte den „Lifestyle der Expat-Community“ gleich. Es habe ihn erstaunt, dass sich auf so einer kleinen Insel so viele interessante Menschen versammeln. Der Nachbar des Freundes wollte ebenfalls ein Haus von Dornier und schließlich entwarf er acht Villen für die Expat-Siedlung.
Dabei sei er niemand, der Deutschland hinter sich lassen wolle, betont Dornier. Im Gegenteil, „ich mag unsere westliche Kultur“, sagt er. Er hat seine Zelte in Deutschland auch nicht gleich abgebrochen. Aber die Chance, Traumhäuser zu entwerfen, habe ein junger Architekt in Deutschland eher selten, sagt er. Nach seinem Architekturstudium an der Universität der Künste in Berlin gründete Dornier seine eigene Designfirma. Er gestaltete Inneneinrichtungen für Bars und Diskotheken und betrieb eine Galerie am Berliner Alexanderplatz. Mal wurde er mit dem Messestand eines Modedesigners beauftragt, mal mit dem Entwurf von Lautsprechern. Aber als Architekt kam er nicht so richtig zum Zug.
Zwischen Industriearchitektur und tropischem Modernismus
Bali habe ihn gelehrt, sich selbst nicht so ernst zu nehmen und ihm Mut gegeben, Neues auszuprobieren. Dorniers Stil lässt sich heute als Mix aus Industriearchitektur und tropischem Modernismus mit Elementen aus der traditionellen indonesischen Baukunst beschreiben. Schon mit seinem Origami House, das wegen seines gefalteten Zeltdachs so heißt, machte er internationale Architekturmagazine auf sich aufmerksam.
Dornier ist es wichtig, für seine Häuser regionale Materialien zu verwenden, zum Beispiel Bambus und Teakholz. Wie sein Vorbild Peter Zumthor, der bekannte Schweizer Architekt, will Dornier den Kontrast zwischen dem Gebäude und der Natur bei Privathäusern möglichst minimal halten. Auch sein Praktikum im berühmten Architekturbüro OMA von Rem Kohlhaas in New York von 2003 bis 2006 hat Dorniers Stil geprägt. Wie Kohlhaas in seinen Entwürfen die urbane Umgebung collagenartig verwebt, macht es Dornier mit der Natur.
Häuser im Zwiegespräch mit der Natur
Dorniers Häuser fügen sich farblich und gestalterisch perfekt ein in Reisfelder und tropische Wildnis. Doch sie verschwinden nicht in der Umgebung, vielmehr entfaltet sich ein subtiles Wechselspiel zwischen gebauten Elementen und Pflanzen ringsum. Es scheint, als würden die Häuser mit der Natur in ein Zwiegespräch treten. Stahlträger, Betonwände, weite, oft geschwungene Dachüberstände und viel Holz sind charakteristisch für Dorniers Bauten. Farben sind nur sehr reduziert eingesetzt: Pflanzen, türkisfarbenes Poolwasser und Holzmöbel mit grünen Polstern zwischen grauem Beton und dunklem Stahl. Die offene Architektur mit fließenden Übergängen von drinnen nach draußen ist auf das tropische Klima abgestimmt.
Vielseitiges künstlerisches Interesse, gepaart mit technischer Begabung, scheint Dornier in die Wiege gelegt worden zu sein. Dorniers Urgroßvater war der berühmte Flugzeugkonstrukteur Claude Dornier. Noch immer sei das Fliegen in der Familie sehr dominant, wurde ihm selbst aber nie zur Passion, erzählt Dornier. In der Familie mütterlicherseits dagegen sei die Kunst sehr wichtig. Das hat wohl auch dazu geführt, dass Alexis Dornier sich nicht auf die Architektur beschränkt. Er ist Miteigentümer von drei Restaurants auf Bali und vertreibt mit seiner Partnerin eine Hautpflege-Serie.
Seit Lieblingsprojekt sind derzeit die Stilt Studios. Mit einem Kunden gründete er 2019 ein Unternehmen, um Stelzenhäuser zu bauen und zu vermarkten. Sie sollen minimalistisch und möglichst nachhaltig sein. Wie in einem Baumhaus schweben die Räume auf Stahlstützen. Weil nur punktuell in die Umgebung eingegriffen wird, können die Häuser mitten in der Natur aufgestellt werden und diese nutzen: den Wind in luftiger Höhe und Bäume als Schattenspender, um Klimaanlagen zu vermeiden. Interessenten können die Baupläne kaufen und ihr eigenes Stelzenhaus überall auf der Welt aufbauen. Stilt Studios stehen bereits an acht Orten in Indonesien und es liegen Aufträge aus Indien und der Karibik vor.
Ein ganz anderes Projekt ist der Entwurf eines Schulhauses für Mädchen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben. Da gebe es plötzlich ganz neue Anforderungen. Nicht die Zahl der Badezimmer wird diskutiert, sondern: Wie kann die Architektur Halt geben? Das ist für Dornier eine Herausforderung, die er gerne annimmt. „Mein Langzeitziel ist es, relevantere Beiträge zur Diskussion in der internationalen Architektur zu leisten“, sagt er. Öffentliche Bauten statt privater Villen, gerne auch in Europa.