Damit kritische Stimmen nicht verstummen
Seit April 2023 herrscht in Sudan Krieg. Das Exile Media Hub Nairobi unterstützt Journalistinnen und Journalisten, die in ihrer Heimat nicht sicher sind.
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Die Kugel traf Faiz Abubakr in den Rücken. So erzählt er es in einem Youtube-Video, das die deutsche Non-Profit-Organisation Media in Cooperation and Transition (MiCT) Anfang 2024 veröffentlicht hat. Abubakr zeigt in dem kurzen Film seine Narbe und berichtet: Er machte gerade Fotos, als ihn Soldaten der Rapid Support Forces (RSF) gefangen nahmen und einer von ihnen auf ihn schoss. Als Abubakr sagte, dass er Fotojournalist ist, ließen sie ihn gehen. Kurz darauf verließ er Sudan und floh nach Ägypten.
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Einverständniserklärung öffnenSeit April 2023 herrscht in Abubakrs Heimat Bürgerkrieg. Zwei Generäle kämpfen um die Macht im Land. Auf der einen Seite der Präsident, Abdel Fattah al-Burhan, mit den Sudanese Armed Forces (SAF). Auf der anderen sein früherer Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, Anführer der Miliz RSF. Die Gewalt verursacht großes Leid in der Bevölkerung. Tausende sind gestorben, Millionen Menschen auf der Flucht. Die Vereinten Nationen warnen vor einem Völkermord, die World Health Organisation (WHO) sieht die akute Gefahr einer Hungersnot.
Journalistinnen und Journalisten aus Sudan geflohen
Die Welt erfährt nicht viel über diesen Krieg. Es ist gefährlich und schwierig, aus dem Land zu berichten. Viele Journalistinnen und Journalisten sind wie Faiz Abubakr geflohen, etwa nach Ägypten, Saudi-Arabien, Uganda oder Kenia. Dort gibt es seit einiger Zeit eine Anlaufstelle für sie sowie für Exil-Journalistinnen und -Journalisten aus anderen Ländern Ostafrikas: das Exile Media Hub Nairobi. „Das Hub wurde als Antwort auf die Eskalation des Konflikts in Sudan eröffnet“, sagt Jey Wegner, bei MiCT für das Stipendienprogramm zuständig.
Finanzielle Hilfe für Journalistinnen und Journalisten im Exil
Das Hub von MiCT, der International Press Association of East Africa (IPAEA) und der sudanesischen Organisation Al Adwaa wurde mit Unterstützung der UNESCO und des deutschen Auswärtigen Amts im Rahmen der Hannah-Arendt-Initiative im April 2024 offiziell eröffnet. Schon im Jahr zuvor gab es eine Pilotphase, in der 80 Journalistinnen und Journalisten gefördert wurden, darunter Faiz Abubakr. 2024 sollen etwa 35 weitere Fellows aus Ostafrika hinzukommen, die sich bewerben können, um für ein paar Monate Unterstützung zu bekommen. Dazu gehören ein Stipendium und weitere Hilfsangebote.
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In den Räumen des Baraza Media Lab in Nairobi hat der Hub ein Zuhause gefunden. Es soll ein Zufluchtsort sein für ostafrikanische Exil-Journalistinnen und -Journalisten – und sie dazu ermächtigen weiterzuarbeiten. Hier finden sie einen Coworking Space, ein Podcast-Studio oder Equipment, das sie für ihre Arbeit leihen können. Das Hub besteht allerdings nicht nur aus den Strukturen vor Ort, es existiert auch als digitale Anlaufstelle für jene, die nicht in Nairobi sind.
Beratung zu Sicherheit, Visa, Sprachkursen
Mitarbeitende der IPAEA betreuen die Fellows in Koordination mit MiCT. Sie beraten auch bei Fragen zum Thema Sicherheit sowie zu Visa oder Sprachkursen und unterstützen damit bei der Integration. Auch das Thema psychische Gesundheit spielt in Einzelberatungen oder Gruppensitzungen eine Rolle. Die Geflüchteten haben oft Furchtbares erlebt. „Es ist wichtig, im Exil eine Community zu haben, mit der man seine Erfahrungen teilen kann“, sagt Wegner. Austauschen können sich nicht nur die Journalistinnen und Journalisten aus Ostafrika. Durch das „MiCT Fellowship for Critical Voices“ gibt es auf der ganzen Welt Hunderte Stipendiatinnen und Stipendiaten.
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Das Hub in Nairobi bietet zudem Weiterbildungsmöglichkeiten und unterstützt die Fellows dabei, Wege und Netzwerke in der Medienlandschaft zu finden, über die sie ihre Arbeit auch künftig finanzieren können. „Fellow bleibt man fürs Leben“, sagt Wegner, auch wenn das Stipendium ausgezahlt sei. Den geflüchteten Journalistinnen und Journalisten liege „die Berichterstattung unglaublich am Herzen“. Wegner erzählt zum Beispiel von einer Journalistin, die in Uganda ein arabisches Radioprogramm für ihre ebenfalls aus Sudan geflohenen Landsleute mache, damit diese wüssten, was in ihrer Heimat passiert. „Es sind extrem beeindruckende Persönlichkeiten“, sagt Wegner über die Fellows. „Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viel Resilienz diese Menschen haben.“
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Faiz Abubakr ist inzwischen zurück in Sudan. Per WhatsApp antwortet er trotz schlechtem Netz auf ein paar Fragen. Das Hub habe ihm geholfen, ein wenig zu arbeiten und seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. „Ich habe eine Leidenschaft dafür, die aktuellen Ereignisse in Sudan in dieser schwierigen Zeit zu dokumentieren“, sagt er jedoch. Dieser Leidenschaft legt der Krieg im Moment Steine in den Weg. Abubakr wurde 2022 mit dem World Press Photo Award in der Kategorie „Africa, Singles“ ausgezeichnet; Agence France Press, die New York Times und Le Monde zählten zu seinen Auftraggebern, erzählt er. Nach seiner aktuellen Jobsituation gefragt, sagt er aber auch: „Im Moment gibt es nichts. Ich habe alles verloren.“ Auf seinem Instagram-Account, dem 10.000 Menschen folgen, bekommt man durch seine Fotos einen aktuellen Eindruck von seiner Heimat. Menschen auf der Flucht, zerstörte Häuser. Das Fotografieren und auch die Hoffnung lässt sich Faiz Abubakr aber nicht nehmen: „Ich hoffe, dass der Frieden siegen wird und dieser Krieg aufhört.“