„Ein Raum, in dem man sich sicher fühlen kann“
Im „Haus für freien Journalismus“ in Costa Rica finden bedrohte Medienschaffende aus der Region Schutz.

Hunderte geflüchtete Medienschaffende, mindestens 54 geschlossene Redaktionen und viele Kolleginnen und Kollegen, die größten Gefahren ausgesetzt sind – Manuel Pérez weiß genau, was es bedeutet, in seiner Heimat Nicaragua als Journalist zu arbeiten. Im August 2018 musste er das Land verlassen, weil er über Bürgerproteste gegen die Regierung berichtet hatte. Das Regime des Präsidenten Daniel Ortega warf ihm vor, die Nation diffamiert zu haben, und verfolgte ihn per Haftbefehl. Pérez verließ daraufhin sein Zuhause und lebt seither in San José, der Hauptstadt des Nachbarlands Costa Rica. Von dort aus schreibt der 31-Jährige auf seinem Portal „Intertextual“ über Ortega, dessen Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo, das ruinierte Bildungssystem und Angriffe auf LGBTQIA+-Personen in Nicaragua.
Schwieriges Leben im Exil
Auch in Costa Rica bleibt das Leben für Pérez schwierig – die traumatischen Erinnerungen, die Angst um die zurückgebliebenen Angehörigen, finanzielle Probleme. „Das Exil hinterlässt ein Trauma, und darüber muss man reden“, sagt er. Seit 2024 erfährt Pérez dabei große Unterstützung durch das Casa para el Periodismo Libre, das „Haus für freien Journalismus“ in San José. In dem im August 2024 offiziell eröffneten Zentrum trifft er im Exil lebende Kolleginnen und Kollegen, knüpft neue Kontakte, bildet sich weiter und arbeitet an seinem Internet-Portal. „Es ist so wichtig, einen Raum zu haben, in dem man sich sicher fühlt“, sagt Pérez. Mindestens zweimal pro Woche ist er dort. Das Haus in San José wird von der deutschen Hannah-Arendt-Initiative finanziert (s. Infokasten).
„Wir bieten Fortbildung, technische Unterstützung und soziale sowie psychologische Hilfe, aber manchmal kommen die Leute auch einfach, um einen Kaffee zu trinken“, erklärt Marielos Gutiérrez, die das Zentrum leitet. In der Weiterbildung kooperiert das Casa para el Periodismo Libre mit anderen Institutionen, wie der Universität von Costa Rica (UCR). „Junge Menschen, die in Nicaragua mit ihrem Studium aufhören mussten, können an der UCR weiterlernen“, so Gutiérrez. Ein interamerikanisches Journalisten-Netzwerk hat sein Büro in den Räumen eingerichtet und die UNESCO half mit der Finanzierung von Möbeln sowie einem digitalen Archiv zur Unterstützung von Journalistinnen und Journalisten.

Weiterbildung und Kontakte zu Anwälten
Auch Workshops zu investigativer Pressearbeit und Datenjournalismus stehen auf dem Programm. Die Kurse führt unter anderen die Deutsche Welle Akademie durch, die das Projekt gemeinsam mit dem lokalen Partner in Costa Rica betreut, dem Institut für Presse- und Meinungsfreiheit IPLEX. „Für viele Journalistinnen und Journalisten ist die Weiterbildung sehr wichtig, um ihren Beruf künftig weiter ausüben zu können“, erklärt Julia Manske, Programmdirektorin der DW Akademie für Mexiko, Guatemala und El Salvador. Zugleich versteht sich das Projekt als Schnittstelle. So vermittelt es beispielsweise Kontakte zu Anwältinnen und Anwälten. Schließlich benötigen Menschen im Exil häufig Beratung im Umgang mit den Einwanderungsbehörden.
Das Haus für freien Journalismus wendet sich zwar explizit an alle exilierten Medienschaffenden. Von den rund 100 Exil-Journalistinnen und -Journalisten, die es derzeit besuchen, stammt jedoch die überwiegende Mehrheit aus dem Nachbarland Nicaragua. Auch die meisten oppositionellen Medien Nicaraguas werden wie das Portal von Manuel Pérez von Costa Rica aus betrieben – und viele der Betreiber nutzen dazu das „Casa para el Periodismo Libre“, zumal es einen stabilen Internet-Zugang bietet. „Ich treffe dort vor allem Kolleginnen und Kollegen aus kleinen, weniger bekannten Medien“, erklärt Pérez. Weitere Journalistinnen und Journalisten kommen aus Venezuela, Honduras und El Salvador.
Zentrum der nicaraguanischen Exilmedien
„Wir wollen eigentlich dafür sorgen, dass Bedrohte möglichst lange in ihrem Land arbeiten können“, erklärt Beate Weides, Sprecherin der Hannah-Arendt-Initiative. Doch wenn das nicht mehr möglich sei, wolle man dazu beitragen, dass sie im Exil unter möglichst guten Bedingungen leben und arbeiten könnten. „Costa Rica hat eine relativ medienfreundliche Kultur“, beschreibt Weides, warum man sich für das mittelamerikanische Land als Sitz des Hauses entschieden habe.
Manuel Pérez hofft, dass er sein Portal nicht für immer von San José aus betreiben muss. Vielleicht könne er ja eines Tages nach Nicaragua zurückkehren, sagt er vorsichtig. Im Haus des freien Journalismus kann er sich darauf vorbereiten. „Wenn Ortega und Murillo stürzen“, sagt er, „werden unabhängige Medien wichtig sein, um etwas Neues aufzubauen.“
Hannah-Arendt-Initiative
Die Hannah-Arendt-Initiative ist ein Schutzprogramm für Journalistinnen und Journalisten. Das Auswärtige Amt und die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien haben es 2022 ins Leben gerufen. Das Haus in San José zählt zu den neueren Angeboten der Initiative. Sie unterstützt unter anderem auch Medienschaffende aus Russland, Belarus, der Ukraine, Afghanistan, Myanmar, Sudan und Mittelamerika.