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Jemenitische Klänge und Berliner Rhythmus

Der Musiker Eyal el Wahab verbindet jemenitische Kultur und Berliner Lebensgefühl zu einem einzigartigen Sound. 

Anna Scheld, 03.02.2025
Musiker Eyal el Wahab baut Instrumente aus Abfällen.
Musiker Eyal el Wahab baut Instrumente aus Abfällen. © privat

Seit 2023 lebt Eyal el Wahab in Berlin. Die Familie des Musikers stammt aus dem Jemen, El Wahab wuchs jedoch in Israel auf. Lange spielte er hauptberuflich als Cellist im Jerusalem Andalusian Orchestra. Bis er, inspiriert von seinen jemenitischen Wurzeln, die Band El Khat gründete und seinen ganz eigenen Sound fand: Eine Mischung aus traditionellen Gesängen, modernen Beats und klassischen Klängen. Ihre Instrumente bauen die drei Musiker von El Khat selbst – und zwar aus Müll.

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Herr El Wahab, Sie sind als Kind jemenitischer Eltern in Israel aufgewachsen. Zu Hause haben Sie Hebräisch gesprochen, nicht Arabisch. Wie haben Sie als Kind und Jugendlicher die jemenitische Kultur erlebt?  

Meine Freunde in Israel haben dieselben jüdischen Feiertage gefeiert, aber immer sehr anders. Ich habe schon früh bemerkt, dass meine Familie zum Beispiel andere Tänze hat, andere Musik hört als viele andere Menschen in Israel. 

Welche Rolle hat Musik in Ihrer Familie gespielt?

Niemand aus meiner Familie ist Musiker, falls Sie das meinen. Aber Musik ist Teil der jüdischen Religion und der jemenitischen Kultur. In der Synagoge habe ich das Gebet immer als monotonen Gesang wahrgenommen, ich fand es schön. Der religiöse Teil hat mich nicht so interessiert, aber das Musikalische ist hängen geblieben, als früheste Erinnerung an Musik. Und wir saßen oft als Familie zusammen und haben eine ganz altertümliche Zeremonie abgehalten, ein Jahrhunderte altes Ritual: Man sitzt im Halbkreis auf dem Boden, kaut auf Khat-Blättern – das wirkt berauschend – und singt dabei uralte Lieder. Als Kind fand ich das toll. Als Erwachsener habe ich selbst angefangen, solche Treffen zu organisieren.

Ich finde es interessant, unnützes Zeug aufzusammeln und daraus etwas zu bauen, das Töne fabriziert.
Eyal el Wahab, Musiker

Seitdem sind Sie hauptberuflich Musiker und haben eine eigene Band: El Khat. Sie verbinden moderne Beats mit traditionellen jemenitischen Gesängen – wie kam es zu dieser Mischung? 

Ich habe lange Zeit immer nur die Musik anderer Menschen gespielt. Vor sieben Jahren habe ich ein Album entdeckt, das alles verändert hat: Es heißt „Qat, Coffee, Qanbus“. Qat ist Khat, die Pflanze, auf der man kaut. Und Qanbus ist ein sehr altes traditionelles Saiteninstrument aus dem Jemen. Das Album ist eine Sammlung traditioneller jemenitischer Musik, die ich so noch nie gehört hatte. Sie ist so wunderschön, ganz einfach und ungeschliffen, mit nur zwei bis drei Instrumenten. Trotzdem klingt sie reich, weil sie so toll performt wird. Das hat mich damals tief berührt und war wie ein Weckruf für mich. Ich begann, Arabisch zu lernen und eigene jemenitische Musik zu machen. Das Album hat meinen ganz persönlichen Sound sehr geprägt. 

Sie bauen selbst Instrumente. Haben Sie sich mal eine Qanbus gebaut? 

Ich habe zumindest versucht, mit einem Topf, einem Stück Holz und ein paar Saiten einen ähnlichen Sound zu erlangen. Ich finde es interessant, unnützes Zeug aufzusammeln und daraus etwas zu bauen, das Töne fabriziert. Zum Beispiel kaputte Möbel oder alte Töpfe. Das gibt einen gebrochenen Sound, den ich sehr mag.   

2023 sind Sie von Tel Aviv nach Berlin gezogen. Was hat Sie angezogen? 

Berlin war in meiner Vorstellung ein Ort, an dem überall klassische Musik gespielt wird. Ich habe vor meinem inneren Auge Straßenmusiker auf dem Alexanderplatz oder auf den Straßen Neuköllns stehen sehen, wie sie dort Mendelssohn und Bach spielen. Leute, die vor mir in Berlin gewesen waren, haben mir gesagt: Du lebst in einem Traum. Naja, sie hatten wohl recht. Trotzdem mag ich Berlin!

Was gefällt Ihnen besonders an Berlin? 

Ich mag die Offenheit der Menschen. Vieles am Leben hier ist improvisiert, selbstgemacht. Es ist so eine farbenfrohe Stadt, sehr kosmopolitisch. Und man kann viele Konzerte besuchen. 

Wie hat Berlin Ihre Musik beeinflusst? 

Ich lebe in Schöneberg, wo viele türkischstämmige Menschen wohnen. Wenn ich an Berlin denke, habe ich also die schöne türkische Sprache und Musik im Ohr. Und dann natürlich die klassische deutsche Musik, die ich liebe, zum Beispiel Bach oder Wagner. Das Ganze mischt sich in meinen Ohren mit dem Berlin-typischen Techno und mit jemenitischer Musik. Außerdem beeinflussen Sinneseindrücke meine Musik: Berlin ist so anders als Tel Aviv. Die Farben und Formen, die Atmosphäre, der Rhythmus. 

Wann waren Sie zuletzt in Israel? 

Kurz vor Weihnachten 2024. Eigentlich möchte ich vermeiden, hinzureisen. Aber das geht nicht, denn ich habe eine Mission. 2022 habe ich dort ein Orchester gegründet: „The Yemini Orchestra“. Wir spielen alte jemenitische Lieder mit fantastischen Sängerinnen und Sängern, die als Immigranten aus dem Jemen nach Israel ins Exil geflohen sind, in den 1950er-Jahren und später. Die Musiker kommen nur zusammen, wenn ich da bin. Das versuche ich noch zu ändern, aber aktuell reise ich alle drei Monate hin. Das Projekt liegt mir sehr am Herzen, ich muss damit weitermachen. Damit möchte ich allen jemenitischen Immigranten eine Stimme geben – in Israel und auf der ganzen Welt.