Francis Kéré – Architekt der Nachhaltigkeit
Bescheiden konzipiert, lokal gedacht und sozial umgesetzt – Kérés Architektur weist einen Weg in die Zukunft des Bauens.
„Nachhaltige Architektur“ ist in und sie ist notwendig. Allerdings ist hier auch „Green Washing“ Alltag, fliegen „grüne“ Stararchitekten mit dem Privatjet durch die Welt und in der Dimension von „Zukunftsprojekten“ schwingt oft eine gute Portion Größenwahn mit. In dieser Branche ist Diébédo Francis Kéré eine Lichtgestalt der Seriosität. Denn Nachhaltigkeit, wie er sie versteht, ist vor allem dreierlei: bescheiden konzipiert, lokal gedacht und sozial umgesetzt.
Die Projekte, die Kéré berühmt gemacht haben, sind aus luftgetrockneten Lehmziegeln gebaut, ersetzen technische Klimalösungen durch die Weisheit traditioneller Bauweise, und sie entstanden durch das Anpacken von Gemeinschaften. Das hat zunächst biografische Gründe. Die Schulbank in Gando in Burkina Faso, auf der Francis Kéré als Kind in einem brütend heißen Raum saß, drückte bei jeder Bewegung die Nägel ins Fleisch. Diesen Stachel nahm der Sohn eines Dorfchefs mit, als er nach Deutschland, nach Berlin zum Studium gehen konnte, als Erinnerung, dass dieses Privileg des Studiums im Ausland nur dann gerechtfertigt sei, wenn er an seine Gemeinschaft zurückgibt.
Beginnend mit einer neuen Schule für Gando, die er noch im Studium 2001 mit der Dorfgemeinschaft kostenarm umsetzte, hat Kéré nach „afrofuturistischen“ Prinzipien entwickelt. In der Kombination von traditioneller Baupraxis mit Spitzentechnologie sucht er ortsgerechte handwerkliche Lösungen. Sein Design stärkt die kulturelle Verwurzelung und ist doch zeitgenössisch.
Dabei adaptiert Kéré auch Einflüsse seiner neuen Heimat Berlin. Aus der Zusammenarbeit mit dem Künstler Christoph Schlingensief etwa entstand 2010 das „Operndorf“ in Laongo, Burkina Faso – ein Bildungscampus in der Steppe. So gewann die Idee von Lehmbau und natürlichen Baustoffen neue Anschaulichkeit und Faszination.
Grüne High-End-Architektur hält Kéré dagegen für Schwindel. „Heute, da die Auswirkungen des Klimawandels zu immer unwirtlicheren Bedingungen führen, geht die Tendenz zu Lösungen, die wirtschaftlich unerschwinglich und ökologisch katastrophal sind“, sagt Kéré. „Unsere Projekte zielen dagegen nicht nur auf die ökologischen, sondern auch die sozialen und wirtschaftlichen Aspekte der Nachhaltigkeit.“
Mit diesem Ansatz wird Kéré inzwischen international gehört. 2022 erhielt er die begehrteste Auszeichnung für Stararchitekten, den Pritzker Preis: „Kérés Arbeit erinnert uns an den notwendigen Kampf, unsere nicht-nachhaltigen Produktions- und Konsummuster zu ändern, und uns zu bemühen, angemessene Gebäude und Infrastrukturen für Milliarden von Bedürftigen bereitzustellen.“
Kérés Berliner Büro sucht für Projekte in Europa und den USA für jeden Bauplatz die adäquate Lösung, im Material wie in der Konstruktion. Eine Waldorfschule im bayerischen Städtchen Weilheim ist als Holzbau entworfen, ein Hochschulturm in München als vertikale Gartenstadt. Aber die wirklich beispielhafte Arbeit leistet Francis Kéré in den Ländern der Sub-Sahara-Zone, wo er die „Kraft der Architektur als Hebel für soziale Transformation“ einsetzt.
Die Nägel der Schulbank wirkten also weiter in seiner Philosophie der Nachhaltigkeit: „Unabhängig vom Wohlstand müssen wir uns unserer Auswirkungen auf die Umwelt bewusst sein und uns bemühen, allen Menschen Komfort und eine nachhaltige Zukunft zu bieten“, sagt Kéré – und setzt das auch so um.